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Thesi liegt mit geschlossenen Augen.




Bei welcher Krankenkasse sind Sie?

 

221. In Dänemark müssen alle Leute bei einer Krankenkasse sein ( - ). Thesi ist auch bei einer Krankenkasse, aber sie ist seit drei Monaten den Beitrag schuldig ( , ; der Beitrag; schuldig sein ). Jetzt wird die Krankenkasse bestimmt nicht für sie bezahlen wollen ( ).

Ich möchte ein Einzelzimmer und werde privat bezahlen ( ; privát). Sie hat überhaupt kein Geld ( ). Und sie kann Spital dritter Klasse ebensowenig bezahlen wie erster Klasse ( , ). Da ist es schon besser, man bekommt ein Einzelzimmer und hat alles sehr gut und vornehm ( , , ). Und jetzt tut der Kopf weh, sie kann nicht nachdenken, es ist auch egal, sie ist krank und wird alles später überlegen ( , , , ). Die Nonne sagt in schlechtem Deutsch ( ): Schwester Theophania wird Sie pflegen, Schwester Theophania ist auch aus Österreich ( , ).

 

221. In Dänemark müssen alle Leute bei einer Krankenkasse sein. Thesi ist auch bei einer Krankenkasse, aber sie ist seit drei Monaten den Beitrag schuldig. Jetzt wird die Krankenkasse bestimmt nicht für sie bezahlen wollen. Ich möchte ein Einzelzimmer und werde privat bezahlen.

Sie hat überhaupt kein Geld. Und sie kann Spital dritter Klasse ebensowenig bezahlen wie erster Klasse. Da ist es schon besser, man bekommt ein Einzelzimmer und hat alles sehr gut und vornehm. Und jetzt tut der Kopf weh, sie kann nicht nachdenken, es ist auch egal, sie ist krank und wird alles später überlegen.

Die Nonne sagt in schlechtem Deutsch: Schwester Theophania wird Sie pflegen, Schwester Theophania ist auch aus Österreich.

 

222. Das Zimmer ist schmal und weiß ( ). Das Bett ist auch schmal und weiß ( ). Schwester Theophania trägt weiße Nonnentracht, sie sitzt am Fenster und liest in einem kleinen schäbigen Büchlein ( , ; die Nonnentracht).

Das Zimmer muss hoch liegen, wenn man durch das Fenster schaut, sieht man nur Himmel ( , , ). An der Wand links hängt ein Vorhang ( ). Dann gibt es noch einen Waschtisch ( ). Und einen kleinen Tisch neben dem Bett ( ). Das ist alles ( ).

Thesi schaut abwechselnd den hellgrauen Morgenhimmel und den Waschtisch und Schwester Theophania an ( - , ; abwechseln , ). Es ist sehr langweilig ( ). So ist das also, wenn man Scharlach hat ( , ). Sie hat keine Uhr, aber sie hat schon schrecklich lange Scharlach, sicherlich schon drei Stunden ( , , / / ). Schwester, warum ist ein Vorhang an der Wand (, )? Schwester Theophania sieht auf ( ). Sie hat ein rundes rosa Gesicht und gar keine Falten ( ). Die Nonnenhaube beginnt gleich über den Augen ( ). Das stört, man bekommt keinen Eindruck von Schwester Theophanias Gesicht ( , ; der Eindruck). Ach so der Vorhang dort ( )?

Die Schwester spricht Deutsch ( -). Aber nicht Wienerisch wie Thesi, sondern wie die Bauern in Tirol sprechen ( - , , ). Sie zieht den Vorhang zurück ( ). Man sieht durch eine breite Glasscheibe auf den Gang hinaus ( ).

 

222. Das Zimmer ist schmal und weiß. Das Bett ist auch schmal und weiß. Schwester Theophania trägt weiße Nonnentracht, sie sitzt am Fenster und liest in einem kleinen schäbigen Büchlein.

Das Zimmer muss hoch liegen, wenn man durch das Fenster schaut, sieht man nur Himmel. An der Wand links hängt ein Vorhang. Dann gibt es noch einen Waschtisch. Und einen kleinen Tisch neben dem Bett. Das ist alles.

Thesi schaut abwechselnd den hellgrauen Morgenhimmel und den Waschtisch und Schwester Theophania an. Es ist sehr langweilig. So ist das also, wenn man Scharlach hat. Sie hat keine Uhr, aber sie hat schon schrecklich lange Scharlach, sicherlich schon drei Stunden. Schwester, warum ist ein Vorhang an der Wand? Schwester Theophania sieht auf. Sie hat ein rundes rosa Gesicht und gar keine Falten. Die Nonnenhaube beginnt gleich über den Augen. Das stört, man bekommt keinen Eindruck von Schwester Theophanias Gesicht. Ach so der Vorhang dort?

Die Schwester spricht Deutsch. Aber nicht Wienerisch wie Thesi, sondern wie die Bauern in Tirol sprechen. Sie zieht den Vorhang zurück. Man sieht durch eine breite Glasscheibe auf den Gang hinaus.

 

223. Zur Besuchsstunde dürfen Ihre Angehörigen an dieses Fenster treten und zu ihnen hereinschauen ( ; die Besuchsstunde; der Besuch ; der Angehörige ; angehören ),

erklärt sie ( ), ins Zimmer selbst darf niemand ( ). Wegen der Ansteckungsgefahr (- ; die Ansteckungsgefahr; anstecken )!

Ich hab' aber keine Angehörigen ( ), sagt Thesi und macht die Augen schnell zu, sie hat Kopfweh ( , ).

Fünf Minuten vergehen oder viele Stunden ( ).

Der neue Scharlachfall ( ), sagt ein Mann auf Dänisch ( ).

Thesi macht die Augen auf und sieht zwei Herren in weißen Mänteln ( ). Einen älteren mit grauen Haaren ( ). Und einen kleinen, jungen, der hinter dem älteren dahertanzt ( , , ).

Der Herr Primararzt ist da ( ), sagt Schwester Theophania und zieht Thesi unter der Decke hervor, setzt sie auf und beginnt ihr Hemd aufzuknöpfen ( , - , ; der Knopf ). Thesi schaut sich jetzt erst ihr Hemd an ( ). Ein scheußliches Hemd aus grobem weißem Stoff ( ). So ein Hemd darf man wirklich nur anziehen, wenn man Scharlach hat und überhaupt niemand kommt, um einen anzuschauen ( , , ). Der Herr Primararzt nimmt ein Hörrohr und horcht erst auf Thesis Rücken herum, dann legt er das Ohr auf ihre Brust ( , ; das Hörrohr; das Rohr , ; die Brust).

 

223. Zur Besuchsstunde dürfen Ihre Angehörigen an dieses Fenster treten und zu ihnen hereinschauen, erklärt sie, ins Zimmer selbst darf niemand. Wegen der Ansteckungsgefahr!

Ich hab' aber keine Angehörigen, sagt Thesi und macht die Augen schnell zu, sie hat Kopfweh.

Fünf Minuten vergehen oder viele Stunden.

Der neue Scharlachfall, sagt ein Mann auf dänisch.

Thesi macht die Augen auf und sieht zwei Herren in weißen Mänteln. Einen älteren mit grauen Haaren. Und einen kleinen, jungen, der hinter dem älteren dahertanzt.

Der Herr Primararzt ist da, sagt Schwester Theophania und zieht Thesi unter der Decke hervor, setzt sie auf und beginnt ihr Hemd aufzuknöpfen.

Thesi schaut sich jetzt erst ihr Hemd an. Ein scheußliches Hemd aus grobem weißem Stoff. So ein Hemd darf man wirklich nur anziehen, wenn man Scharlach hat und überhaupt niemand kommt, um einen anzuschauen. Der Herr Primararzt nimmt ein Hörrohr und horcht erst auf Thesis Rücken herum, dann legt er das Ohr auf ihre Brust.

 

224. Kommen Sie mir nicht zu nah, ich hab' Scharlach ( , ), ermahnt ihn Thesi ( ).

Der Herr Primararzt sagt nur ( ): Tief atmen ( )! und dann zur Schwester Theophania ( ): Temperatur ()?

Achtunddreißig, neun ( ), sagt die Schwester ( ). Sie hat übrigens eine angenehm leise Stimme (, ).

Ich hab' gar nicht bemerkt, dass Sie mich gemessen haben, Schwester ( , ), krächzt Thesi erstaunt ( ; messen). Thesis Halsansatz und ihre Arme werden betrachtet ( ; der Halsansatz). Alles voll roter Flecken ( ).

Ich hab' auch Gliederschmerzen und schreckliches Halsweh im Lexikon steht, dass es Scharlach ist ( , ), sagt Thesi.

Sie müssen still sein, wenn der Herr Primararzt Sie untersucht ( , ), ermahnt Schwester Theophania ( ).

Dann spricht der Herr Primararzt leise mit der Schwester, zuletzt sieht er Thesi an und legt ihr die Hand auf die Schulter ( - , ): Schön ruhig bleiben, nicht viel bewegen ( , ). Dann nimmt die Krankheit ihren normalen Verlauf ( ; der Verlauf , , ). Verstanden ()!

 

224. Kommen Sie mir nicht zu nah, ich hab' Scharlach, ermahnt ihn Thesi.

Der Herr Primararzt sagt nur: Tief atmen! und dann zur Schwester Theophania: Temperatur?

Achtunddreißig, neun, sagt die Schwester. Sie hat übrigens eine angenehm leise Stimme.

Ich hab' gar nicht bemerkt, dass Sie mich gemessen haben, Schwester, krächzt Thesi erstaunt. Thesis Halsansatz und ihre Arme werden betrachtet. Alles voll roter Flecken.

Ich hab' auch Gliederschmerzen und schreckliches Halsweh im Lexikon steht, dass es Scharlach ist, sagt Thesi.

Sie müssen still sein, wenn der Herr Primararzt Sie untersucht, ermahnt Schwester Theophania.

Dann spricht der Herr Primararzt leise mit der Schwester, zuletzt sieht er Thesi an und legt ihr die Hand auf die Schulter: Schön ruhig bleiben, nicht viel bewegen. Dann nimmt die Krankheit ihren normalen Verlauf. Verstanden!

 

225. Thesi blickt erschrocken in seine Augen ( ; erschrecken ). Hinter einer glitzernden Brille sind Augen, die durch einen hindurchsehen ( , ; die Brille; einen Akk. man). Plötzlich fragt er noch ( ): Übrigens haben Sie Brüder in Wien ( ; der Bruder)?

Er hat also Thesis Personalangaben durchgesehen und weiß, dass sie aus Wien ist (, , ). Nein, überhaupt keine Brüder (, / / ), Können froh sein ( ), sagt der Herr Primararzt, dreht sich um und geht hinaus ( , / /). Hinter ihm trippelt eifrig der junge Doktor, er hat kein Wort geredet, nur immerfort genickt ( , , ). Der ist aber komisch, der Alte, überlegt Thesi (, , , , ). Brüder ()? Brüder haben nichts mit Scharlach zu tun ( ). Er ist doch kein Nervenarzt ( ). Nervenärzte sind nämlich meistens selbst verrückt ( , ). Aber er ist doch Scharlacharzt ( , )...

Schritte hallen auf dem Gang, laufen an Thesis Zimmer vorbei, und irgendwo geht eine Tür ( , , - ). Den Bruchteil einer Sekunde hört man eine halblaute Männerstimme (- ). Dann wird die Tür wieder geschlossen ( ).

 

225. Thesi blickt erschrocken in seine Augen. Hinter einer glitzernden Brille sind Augen, die durch einen hindurchsehen. Plötzlich fragt er noch: Übrigens haben Sie Brüder in Wien?

Er hat also Thesis Personalangaben durchgesehen und weiß, dass sie aus Wien ist.

Nein, überhaupt keine Brüder,

Können froh sein, sagt der Herr Primararzt, dreht sich um und geht hinaus. Hinter ihm trippelt eifrig der junge Doktor, er hat kein Wort geredet, nur immerfort genickt. Der ist aber komisch, der Alte, überlegt Thesi.

Brüder? Brüder haben nichts mit Scharlach zu tun. Er ist doch kein Nervenarzt. Nervenärzte sind nämlich meistens selbst verrückt. Aber er ist doch Scharlacharzt...

Schritte hallen auf dem Gang, laufen an Thesis Zimmer vorbei, und irgendwo geht eine Tür. Den Bruchteil einer Sekunde hört man eine halblaute Männerstimme. Dann wird die Tür wieder geschlossen.

 

226. Thesi richtet sich auf ( ). Der Himmel ist glasklar und durchsichtig blau, durch das Fenster fällt Sonnenschein ( -, / / ). Schwester Theophanias Stuhl ist leer ( ). Auf dem Fensterbrett liegt ihr Büchlein ( ). Mit großen erschrockenen Fieberaugen schaut Thesi sich um ( , , ). Allein gelassen ( ). Sie haben mich allein gelassen ( ). Sie macht sich ganz klein im Bett, zieht die Decke bis ans Kinn und lauscht auf den Gang hinaus ( : , = ; das Kinn). Alles, was sie vorhin im Halbschlaf gehört hat, geschieht wirklich (, , -): Schritte, das Trippeln von Schwestern, hallende Männertritte, die Tür in der Ferne geht auf, die monotone Männerstimme, die Tür (, , , , , )... Schwester Theophania kommt wieder ins Zimmer ( ). Thesi lächelt ihr entgegen, sie ist froh, dass jemand hereinkommt ( , , - ). Aber Schwester Theophania bemerkt Thesi gar nicht ( ). Sie hastet zum Fenster und stürzt sich auf ihr abgegriffenes Büchlein ( ; die Hast , , ; sich abgreifen , ). Sie hebt es nah vor die Augen und bewegt flüsternd die Lippen ( , - ). Ihre Lippen zittern ( ). Schwester Theophania betet ( ).

 

226. Thesi richtet sich auf. Der Himmel ist glasklar und durchsichtig blau, durch das Fenster fällt Sonnenschein. Schwester Theophanias Stuhl ist leer. Auf dem Fensterbrett liegt ihr Büchlein. Mit großen erschrockenen Fieberaugen schaut Thesi sich um. Allein gelassen. Sie haben mich allein gelassen. Sie macht sich ganz klein im Bett, zieht die Decke bis ans Kinn und lauscht auf den Gang hinaus. Alles, was sie vorhin im Halbschlaf gehört hat, geschieht wirklich: Schritte, das Trippeln von Schwestern, hallende Männertritte, die Tür in der Ferne geht auf, die monotone Männerstimme, die Tür... Schwester Theophania kommt wieder ins Zimmer. Thesi lächelt ihr entgegen, sie ist froh, dass jemand hereinkommt. Aber Schwester Theophania bemerkt Thesi gar nicht. Sie hastet zum Fenster und stürzt sich auf ihr abgegriffenes Büchlein. Sie hebt es nah vor die Augen und bewegt flüsternd die Lippen. Ihre Lippen zittern. Schwester Theophania betet.

 

227. Thesi fühlt sich furchtbar allein ( ). Viel mehr allein als vorhin ( , ). Schwester Theophania ist bei ihr und doch nicht bei ihr ( , ).

Schwester ()! Ich hab' vorhin eine Männerstimme gehört immer, wenn draußen die Tür aufgegangen ist, hab' ich die Stimme gehört und ich glaub', ich kenne die Stimme ( , , , ) .

Schwester Theophania blickt nur flüchtig auf ( ; flüchtig , ): Sie sollen schlafen ( ). Drüben auf dem Gang ist das Zimmer vom Herrn Primararzt ( ). Dort steht ein Radioapparat ( ). Sie haben wahrscheinlich die Stimme des Ansagers gehört (, ; der Ansager; ansagen , ). Sie sollen doch schlafen (, )! Nach einer Weile geht Schwester Theophania wieder hinaus ( - / /). Schlafen ()! sagt sie noch zu Thesi und ( ) ich bin gleich wieder zurück ( ).

 

227. Thesi fühlt sich furchtbar allein. Viel mehr allein als vorhin. Schwester Theophania ist bei ihr und doch nicht bei ihr.

Schwester! Ich hab' vorhin eine Männerstimme gehört immer, wenn draußen die Tür aufgegangen ist, hab' ich die Stimme gehört und ich glaub', ich kenne die Stimme .

Schwester Theophania blickt nur flüchtig auf: Sie sollen schlafen. Drüben auf dem Gang ist das Zimmer vom Herrn Primararzt. Dort steht ein Radioapparat. Sie haben wahrscheinlich die Stimme des Ansagers gehört. Sie sollen doch schlafen!

Nach einer Weile geht Schwester Theophania wieder hinaus. Schlafen! sagt sie noch zu Thesi und ich bin gleich wieder zurück.

 

228. Thesi will still und vernünftig daliegen ( : ). In ihren Schläfen hämmert es ( ). Auch das Herz hämmert ( ). Das kommt vielleicht vom Fieber (, ). Thesis Angst kommt wahrscheinlich auch vom Fieber ( , , ). Die Angst und dieses Gefühl, dass etwas Schreckliches geschehen ist ( , - ). Dieses Gefühl alle wissen es, nur ich nicht ( , ). Sie sagen mir nichts ( ). Sie lassen mich allein ( ). Man sagt kranken Leuten nie, wenn etwas geschieht

( , - ). Und jetzt geschieht etwas da, die Schritte auf dem Gang die Schritte klatschen auf dem Linoleumboden auf ( - , , ; klatschen ; das Linóleum ). Alle laufen ins Zimmer vom Herrn Primararzt ( ). Man lässt mich ganz allein ( ). Thesi streckt den Arm aus ( ). Tastet über den Nachttisch ( ). Da liegt ihre Handtasche ( ). Sie zieht die Handtasche aufs Bett, jede Bewegung tut weh, sie kramt aufgeregt in der Tasche, jetzt kugelt alles auf der Decke herum, die Puderdose, der Lippenstift Thesi fingert aufgeregt sie muss doch da sein ( , , , , , ). Im Seitenfach, sie hat sie doch hineingesteckt, ja sie hat die kleine Fotografie gefunden ( , , ; das Seitenfach; die Fotografíe). Das Bild eines österreichischen Offiziers in der Uniform des Jahres 1914 ( // 1914 ). Man muss diesen Offizier auf dem vergilbten kleinen Foto sehr gut gekannt haben, um seine verblichenen Züge zu erkennen ( , ; vergilben ; gelb ).

 

228. Thesi will still und vernünftig daliegen. In ihren Schläfen hämmert es. Auch das Herz hämmert. Das kommt vielleicht vom Fieber. Thesis Angst kommt wahrscheinlich auch vom Fieber. Die Angst und dieses Gefühl, dass etwas Schreckliches geschehen ist. Dieses Gefühl alle wissen es, nur ich nicht. Sie sagen mir nichts. Sie lassen mich allein. Man sagt kranken Leuten nie, wenn etwas geschieht. Und jetzt geschieht etwas da, die Schritte auf dem Gang die Schritte klatschen auf dem Linoleumboden auf. Alle laufen ins Zimmer vom Herrn Primararzt. Man lässt mich ganz allein. Thesi streckt den Arm aus. Tastet über den Nachttisch. Da liegt ihre Handtasche. Sie zieht die Handtasche aufs Bett, jede Bewegung tut weh, sie kramt aufgeregt in der Tasche, jetzt kugelt alles auf der Decke herum, die Puderdose, der Lippenstift Thesi fingert aufgeregt sie muss doch da sein. Im Seitenfach, sie hat sie doch hineingesteckt, ja sie hat die kleine Fotografie gefunden. Das Bild eines österreichischen Offiziers in der Uniform des Jahres 1914. Man muss diesen Offizier auf dem vergilbten kleinen Foto sehr gut gekannt haben, um seine verblichenen Züge zu erkennen.

 

229. Thesi hat ihren Vater gar nicht gekannt ( ; kennen). Sie hält das Bild dicht vor die Augen und träumt sich ein Gesicht zusammen ( ; träumen ; ). Das Gesicht vom Vater ( ). Sie legt das Bildchen an ihre Wange und hat etwas weniger Angst ( : ). Aber plötzlich reißt sie sich in die Höhe ( / ). Sitzt einen Augenblick starr und aufrecht im Bett ( ). Ihre Gedanken gehen wirr durcheinander ( / /; wirr ; durcheinander = ): es ist gemein, mich allein zu lassen, kranke Menschen werden immer belogen, drüben gibt es gar kein Radio, es ist auch nicht die Stimme des Ansagers, ich will wissen, was es ist, ich will wissen ( , , , , , , ; jemanden belügen -; die Lüge ) .

 

229. Thesi hat ihren Vater gar nicht gekannt. Sie hält das Bild dicht vor die Augen und träumt sich ein Gesicht zusammen. Das Gesicht vom Vater. Sie legt das Bildchen an ihre Wange und hat etwas weniger Angst. Aber plötzlich reißt sie sich in die Höhe. Sitzt einen Augenblick starr und aufrecht im Bett. Ihre Gedanken gehen wirr durcheinander: es ist gemein, mich allein zu lassen, kranke Menschen werden immer belogen, drüben gibt es gar kein Radio, es ist auch nicht die Stimme des Ansagers, ich will wissen, was es ist, ich will wissen .

 

230. Sie hebt die Beine aus dem Bett ( ; heben ). Sie versucht zu stehen ( ). Der Boden ist hier auch aus Watte, genauso wie gestern Abend zu Haus ( , , ). Aber es geht ganz gut, man muss nur richtige Schritte machen und sich geradehalten ( , ). Dann fällt man nicht um ( ). So da ist die Tür ( ). Es ist furchtbar kalt im Zimmer ( ). Dabei scheint doch die Sonne ( ). Man kann die Tür sehr leicht aufmachen ( ). Sehr gut niemand ist auf dem Gang, niemand wird einen zurückjagen ( , ). Eins, zwei nur geradehalten und Schritte machen (, ). So viele weiße Türen, alle ganz gleich ( , ). Durch diese Tür kommt die Männerstimme (- ). Man hört sie ganz deutlich ( ). Thesi nimmt sich zusammen und macht die Tür leise, leise auf ( - ).

 

230. Sie hebt die Beine aus dem Bett. Sie versucht zu stehen. Der Boden ist hier auch aus Watte, genauso wie gestern Abend zu Haus. Aber es geht ganz gut, man muss nur richtige Schritte machen und sich geradehalten. Dann fällt man nicht um. So da ist die Tür. Es ist furchtbar kalt im Zimmer. Dabei scheint doch die Sonne. Man kann die Tür sehr leicht aufmachen. Sehr gut niemand ist auf dem Gang, niemand wird einen zurückjagen.

Eins, zwei nur geradehalten und Schritte machen. So viele weiße Türen, alle ganz gleich. Durch diese Tür kommt die Männerstimme. Man hört sie ganz deutlich. Thesi nimmt sich zusammen und macht die Tür leise, leise auf.

 

231. Im Halbkreis stehen Schwestern und Männer in Ärztekitteln ( ; der Halbkreis; der Ärztekittel , ). Sie stehen alle mit dem Rücken zur Tür ( ). Sie hören nicht, dass die Tür aufgemacht wird, sie hören nicht, dass sich jemand auf nackten Sohlen hereinschiebt ( , , , - - // ; die Sohle //). Sie wenden sich auch nicht und sehen deshalb nicht das Geschöpf im weißen Krankenhemd, rote Flecken auf den Wangen, rote Flecken am Hals, erschrockene Fieberaugen ( , , , ). Schwestern und Ärzte hören nur die Stimme des Radioansagers und starren den dunklen Radioapparat an ( ).

Wie bereits gemeldet, hat heute in den frühen Morgenstunden das Bombardement auf ( , : ) .

Gleichmäßige Stimme des Radioansagers ( ). Bombardement hat begonnen ( ). Bomben auf Städte und Eisenbahnen ( ; die Bombe; die Eisenbahn). Bomben auf Kirchen und Schiffe ( ). Bomben auf Menschen und Tiere ( ; das Tier). Die Zahl der bisherigen Todesopfer ist noch nicht bekannt ( ; das Todesopfer; der Tod ; das Opfer ). Der deutsche Heeresbericht ( ; das Heer ; ; ; der Bericht ). Der polnische Heeresbericht ( ) .

 

231. Im Halbkreis stehen Schwestern und Männer in Ärztekitteln. Sie stehen alle mit dem Rücken zur Tür. Sie hören nicht, dass die Tür aufgemacht wird, sie hören nicht, dass sich jemand auf nackten Sohlen hereinschiebt. Sie wenden sich auch nicht und sehen deshalb nicht das Geschöpf im weißen Krankenhemd, rote Flecken auf den Wangen, rote Flecken am Hals, erschrockene Fieberaugen. Schwestern und Ärzte hören nur die Stimme des Radioansagers und starren den dunklen Radioapparat an.

Wie bereits gemeldet, hat heute in den frühen Morgenstunden das Bombardement auf .

Gleichmäßige Stimme des Radioansagers. Bombardement hat begonnen. Bomben auf Städte und Eisenbahnen. Bomben auf Kirchen und Schiffe. Bomben auf Menschen und Tiere. Die Zahl der bisherigen Todesopfer ist noch nicht bekannt. Der deutsche Heeresbericht. Der polnische Heeresbericht .

 

232. Thesi begreift nicht, es sind doch nur Worte ( , ). Das bedeutet wohl (, , ) , beginnt der Herr Primararzt und bemüht sich, den Lautsprecher besser einzustellen ( ; der Lautsprecher). Thesi neigt sich mit weit aufgerissenen Augen vor, sie will begreifen, das bedeutet also ja, also ( , , , , )?

Dass der Weltkrieg wieder ausgebrochen ist ( ; ausbrechen , / /). Weltkrieg ( ). Wie ein riesiges schwarzes Tier kommt dieses Wort auf Thesi zu ( , ). Das Tier Weltkrieg überfällt sie, packt ihre Schultern und greift in die Brust ( , ; greifen ). Greift ans Herz ( ). Ich verstehe, schreit es in Thesi, ich begreife ( , - , ). Nur ich ( ). Ich bin die einzige hier im Zimmer ( ). Die Dänen wissen doch nichts, gar nichts vom Weltkrieg ( , ). Ich komme aus Wien ( ). Im Krieg hat man Schuhsohlen aus Papier, der ganze Körper tut weh vor Kälte und Nässe ( , ; die Schuhsohle; die Nässe). Vater hat Feldpostkarten geschrieben, zuerst ( , ; die Feldpostkarte; die Feldpost ). Alle Kinder haben ein Recht, einen Vati zu haben ( ). Nur die Wiener Kinder nicht ( ). Man kann sich gegen Krieg nicht wehren, der Krieg bricht aus und packt einen und schleudert ( , , , ) .

Sie schießen also wieder aufeinander (, ), bemerkt der junge Arzt und nickt wie immer, wenn der Herr Primararzt den Mund auftut ( / / , : ). Der junge Arzt war beim letzten Weltenbrand ein Kopenhagener Knabe ( ; der Brand ).

 

232. Thesi begreift nicht, es sind doch nur Worte. Das bedeutet wohl , beginnt der Herr Primararzt und bemüht sich, den Lautsprecher besser einzustellen. Thesi neigt sich mit weit aufgerissenen Augen vor, sie will begreifen, das bedeutet also ja, also ? Dass der Weltkrieg wieder ausgebrochen ist.

Weltkrieg. Wie ein riesiges schwarzes Tier kommt dieses Wort auf Thesi zu. Das Tier Weltkrieg überfällt sie, packt ihre Schultern und greift in die Brust. Greift ans Herz. Ich verstehe, schreit es in Thesi, ich begreife. Nur ich. Ich bin die einzige hier im Zimmer. Die Dänen wissen doch nichts, gar nichts vom Weltkrieg. Ich komme aus Wien. Im Krieg hat man Schuhsohlen aus Papier, der ganze Körper tut weh vor Kälte und Nässe. Vater hat Feldpostkarten geschrieben, zuerst. Alle Kinder haben ein Recht, einen Vati zu haben. Nur die Wiener Kinder nicht. Man kann sich gegen Krieg nicht wehren, der Krieg bricht aus und packt einen und schleudert .

Sie schießen also wieder aufeinander, bemerkt der junge Arzt und nickt wie immer, wenn der Herr Primararzt den Mund auftut. Der junge Arzt war beim letzten Weltenbrand ein Kopenhagener Knabe.

 

233. Ich werde schreien, spürt Thesi, ich will nicht schreien, ich will nicht, aber ich ich schreie, schreie ( , , , , , ) . Nein, nein bitte, lieber Gott, nein (, , , )! schreit Thesi ( ). Ärzte und Schwestern wenden sich mit einem Ruck zur Tür ( ). Da steht ein mageres, bloßfüßiges Wesen im langen Hemd ( , ). Das Wesen schreit nicht mehr, es wimmert nur noch ( , ): Bitte, nein (, ) . Dabei fällt eine kleine Fotografie auf den Boden, weil das Wesen die Hände vor den Mund presst ( , ).

Der neue Scharlachfall ( )! ruft einer ( ). Das ist der junge Arzt aus der Aufnahmekanzlei ( ). Und da ist auch Schwester Theophania ( ). Ihr Gesicht wird dunkelrot vor Schreck und Verlegenheit ( - ; die Verlegenheit ).

Aber aber sie hat doch so schön geschlafen ( ), murmelt sie hilflos und schaut verwirrt den Herrn Primararzt an ( ).

 

233. Ich werde schreien, spürt Thesi, ich will nicht schreien, ich will nicht, aber ich ich schreie, schreie . Nein, nein bitte, lieber Gott, nein! schreit Thesi. Ärzte und Schwestern wenden sich mit einem Ruck zur Tür. Da steht ein mageres, bloßfüßiges Wesen im langen Hemd. Das Wesen schreit nicht mehr, es wimmert nur noch: Bitte, nein .

Dabei fällt eine kleine Fotografie auf den Boden, weil das Wesen die Hände vor den Mund presst.

Der neue Scharlachfall! ruft einer. Das ist der junge Arzt aus der Aufnahmekanzlei. Und da ist auch Schwester Theophania. Ihr Gesicht wird dunkelrot vor Schreck und Verlegenheit.

Aber aber sie hat doch so schön geschlafen, murmelt sie hilflos und schaut verwirrt den Herrn Primararzt an.

 

234. Der Herr Primararzt kümmert sich jetzt nicht um Schwester Theophania ( ). Er schiebt die Zunächststehenden zur Seite und geht auf Thesi zu ( ). Thesi weicht vor ihm zurück, seine Brille funkelt, der Herr Primararzt wird sehr böse sein ( , , = , ).

Oh bitte, entschuldigen Sie ( , ) . Komm nur (), sagt der Herr Primararzt einfach und legt den Arm sehr lieb und freundlich um Thesis Schultern ( -, - = -, - ).

Thesi senkt den Kopf, ihre Stimme klingt ganz zerbrochen vor Angst ( , ; zerbrechen ): Verzeihung aber Sie wissen ja nicht ( ) .

 

234. Der Herr Primararzt kümmert sich jetzt nicht um Schwester Theophania. Er schiebt die Zunächststehenden zur Seite und geht auf Thesi zu. Thesi weicht vor ihm zurück, seine Brille funkelt, der Herr Primararzt wird sehr böse sein.

Oh bitte, entschuldigen Sie .

Komm nur, sagt der Herr Primararzt einfach und legt den Arm sehr lieb und freundlich um Thesis Schultern.

Thesi senkt den Kopf, ihre Stimme klingt ganz zerbrochen vor Angst: Verzeihung aber Sie wissen ja nicht .

 

235. Doch, ich weiß (, ), sagt der Herr Primararzt und öffnet die Tür, um Thesi hinauszuführen ( , ).

Nein, flüstert Thesi ( ), Sie wissen nichts ( ). Im Weltkrieg schießen sie den Männern die Beine ab und die Arme ( ). Bei uns in Wien stehen bettelnde Krüppel an allen Straßenecken die Männer vom letztenmal ( , , ; der Krüppel; betteln , ; die Straßenecke; das letzte Mal / ). Und Gary sagt, die Kinder brechen vor Hunger und laufen zu den Soldaten, neulich erst, sagt Gary ( , , , ). Herr Primararzt, wenn Sven auch in den Krieg muss, bitte ( , , ) .

Der Primararzt hebt Thesi auf und hält sie wie ein kleines Kind in seinen Armen ( , , ).

Schwester Theophania ein Pulver ( ; das Pulver)!

Dann trägt er das fiebrige Bündel den Korridor entlang ( / ; fiebrig ). Thesis Zimmer, die Tür ist nur angelehnt, der Primararzt stößt sie mit dem Fuß auf und legt Thesi behutsam in ihr Bett ( , , ). Da steht auch schon Schwester Theophania ( ). Sie hält einen Löffel mit einem weißen Pulver in der einen Hand und in der anderen ein Glas Wasser ( , ). Alles geht sehr schnell ( ). Mund aufmachen ( ). Pulver schlucken ( ). Schnell Wasser nachtrinken ( ). Das Pulver schmeckt etwas bitter ( ).

 

235. Doch, ich weiß, sagt der Herr Primararzt und öffnet die Tür, um Thesi hinauszuführen.

Nein, flüstert Thesi, Sie wissen nichts. Im Weltkrieg schießen sie den Männern die Beine ab und die Arme. Bei uns in Wien stehen bettelnde Krüppel an allen Straßenecken die Männer vom letztenmal. Und Gary sagt, die Kinder brechen vor Hunger und laufen zu den Soldaten, neulich erst, sagt Gary. Herr Primararzt, wenn Sven auch in den Krieg muss, bitte .

Der Primararzt hebt Thesi auf und hält sie wie ein kleines Kind in seinen Armen.

Schwester Theophania ein Pulver!

Dann trägt er das fiebrige Bündel den Korridor entlang. Thesis Zimmer, die Tür ist nur angelehnt, der Primararzt stößt sie mit dem Fuß auf und legt Thesi behutsam in ihr Bett. Da steht auch schon Schwester Theophania. Sie hält einen Löffel mit einem weißen Pulver in der einen Hand und in der anderen ein Glas Wasser. Alles geht sehr schnell. Mund aufmachen. Pulver schlucken. Schnell Wasser nachtrinken. Das Pulver schmeckt etwas bitter.

 

236. Thesi wird sehr müde, das Bett ist angenehm kühl, und sie wird gleich einschlafen ( , , ). Es prickelt in ihren Gliedern, das kommt wahrscheinlich vom Pulver ( , , ; das Glied; prickeln , ; ). Der Herr Primararzt ist wirklich ein sehr netter Mensch, Brillengläser täuschen manchmal ( , ; das Brillenglas). Sie möchte ihm gern das Fenster zeigen und versucht die Hand zu heben ( ). Aber es geht nicht ( ). Die Hand ist zu müde ( ). Sie wollen mir noch etwas sagen ( - )? fragt der Primararzt gütig ( ). Die Sonne (). Es ist ganz unverständlich, dass die Sonne noch immer scheint ( , ) , flüstert Thesi und lächelt, weil ihr so angenehm wird ( , ).

 

236. Thesi wird sehr müde, das Bett ist angenehm kühl, und sie wird gleich einschlafen. Es prickelt in ihren Gliedern, das kommt wahrscheinlich vom Pulver. Der Herr Primararzt ist wirklich ein sehr netter Mensch, Brillengläser täuschen manchmal. Sie möchte ihm gern das Fenster zeigen und versucht die Hand zu heben. Aber es geht nicht. Die Hand ist zu müde. Sie wollen mir noch etwas sagen? fragt der Primararzt gütig. Die Sonne. Es ist ganz unverständlich, dass die Sonne noch immer scheint , flüstert Thesi und lächelt, weil ihr so angenehm wird.

 

237. Später findet der Primararzt in seinem Zimmer eine kleine Fotografie ( ). Sie liegt auf dem Boden neben der Tür und ist zerbeult und schmutzig, weil viele Leute aus Versehen daraufgetreten sind ( , , ; schmutzig ; das Versehen; die Beule ). Der Primararzt hebt sie auf und erkennt, dass sie einen jungen Mann in Uniform darstellt ( , ). Er erkennt sogar, dass es eine alte österreichische Uniform ist ( , ). Der Primararzt kommt auf seinem Nachmittagsrundgang wieder in Thesis Zimmer ( ; der Rundgang ). Der neue Scharlachfall schläft, kleine Schweißperlen auf der Stirn und zuckende Mundwinkel ( , ; die Schweißperle; der Schweiß ). Schwester Theophania soll eine Fieberkurve auf kariertes Papier malen ( ; die Fieberkurve; das Papier). Es wird aber keine Kurve, sondern eine ansteigende Linie ( , ). Schreckliche Kinderkrankheit der Menschheit ( ; die Menschheit), bemerkt der Primararzt ( , nicht wahr, Schwester Theophania ( , )?

Es ist nicht klar, ob er den neuen Scharlachfall oder den neuen Krieg meint ( , ). Schwester Theophania fragt nicht, sondern dreht eine kleine Lampe an und liest den ganzen Abend Gebete ( , ; das Gebét). Sie hat das Gesicht eines freundlichen Bauernmädchens, das gar nicht neugierig auf die große Welt ist ( , ; neugierig ; neugierig auf etwas sein -, -).

 

237. Später findet der Primararzt in seinem Zimmer eine kleine Fotografie. Sie liegt auf dem Boden neben der Tür und ist zerbeult und schmutzig, weil viele Leute aus Versehen daraufgetreten sind. Der Primararzt hebt sie auf und erkennt, dass sie einen jungen Mann in Uniform darstellt. Er erkennt sogar, dass es eine alte österreichische Uniform ist.

Der Primararzt kommt auf seinem Nachmittagsrundgang wieder in Thesis Zimmer. Der neue Scharlachfall schläft, kleine Schweißperlen auf der Stirn und zuckende Mundwinkel. Schwester Theophania soll eine Fieberkurve auf kariertes Papier malen. Es wird aber keine Kurve, sondern eine ansteigende Linie.

Schreckliche Kinderkrankheit der Menschheit, bemerkt der Primararzt, nicht wahr, Schwester Theophania?

Es ist nicht klar, ob er den neuen Scharlachfall oder den neuen Krieg meint. Schwester Theophania fragt nicht, sondern dreht eine kleine Lampe an und liest den ganzen Abend Gebete. Sie hat das Gesicht eines freundlichen Bauernmädchens, das gar nicht neugierig auf die große Welt ist.

 

VIII

 

238. Diese Schwester Theophania ( )! Man ist todkrank, und sie behauptet, dass man trotzdem jeden Tag Zähne putzen muss ( , , , , ). Manchmal muss man sich auch auf den Bauch legen, und Schwester Theophania bestreut den Rücken mit Babypuder ( , / / ; der Babypuder). Und alles ist doch ganz gleichgültig, man hat Kopfweh, und die Polster sind immer feucht und zerdrückt, die Lippen sind rissig und ausgetrocknet, und man ist schrecklich krank, wenn man so richtig Scharlach hat ( , , , , , ; der Riss , , ). Drei Tage später, morgens, ist alles anders: Thesi will sich aufsetzen ( , , -: ). Thesi will ihr Handtäschchen haben, und Schwester Theophania gibt es ihr ( , ). Thesi zieht die Puderdose heraus, klappt sie auf ( , ; klappen , ). Und schaut erschrocken in den kleinen Spiegel ( ). Gibt es ovale Tomaten ( ; die Tomáte)?

Thesis Gesicht sieht nämlich wie eine ovale Tomate aus ( , , ). Da sind nicht mehr diese kleinen roten Flecken auf Stirn und Wangen ( ). Das ganze Gesicht ist ein einziger roter Fleck geworden ( ). Die Augen blinzeln fremd und glitzernd unter der komischen Tomatenstirn ( - ; die Stirn ).

 

238. Diese Schwester Theophania! Man ist todkrank, und sie behauptet, dass man trotzdem jeden Tag Zähne putzen muss. Manchmal muss man sich auch auf den Bauch legen, und Schwester Theophania bestreut den Rücken mit Babypuder. Und alles ist doch ganz gleichgültig, man hat Kopfweh, und die Polster sind immer feucht und zerdrückt, die Lippen sind rissig und ausgetrocknet, und man ist schrecklich krank, wenn man so richtig Scharlach hat. Drei Tage später, morgens, ist alles anders: Thesi will sich aufsetzen. Thesi will ihr Handtäschchen haben, und Schwester Theophania gibt es ihr. Thesi zieht die Puderdose heraus, klappt sie auf. Und schaut erschrocken in den kleinen Spiegel. Gibt es ovale Tomaten?

Thesis Gesicht sieht nämlich wie eine ovale Tomate aus. Da sind nicht mehr diese kleinen roten Flecken auf Stirn und Wangen. Das ganze Gesicht ist ein einziger roter Fleck geworden. Die Augen blinzeln fremd und glitzernd unter der komischen Tomatenstirn.

 

239. Was gibt es Neues in der großen Politik, Schwester Theophania ( , )? erkundigt sich Thesi, während ihr die Nonne das Hemd auszieht ( , ). Bekümmert betrachtet Thesi ihren nackten Bauch ( ). Ein rotgetupfter Bauch ist komisch (, , ).

Ich weiß nicht ( ), sagt Schwester Theophania und zieht Thesi ein sauberes Hemd über ( ).

Eure Nachthemden hier sind schauerlich ( ), klagt Thesi ( ). Weiß (). Immerfort weiße Hemden ( ). Rosa, Schwester (, )? Ich weiß nicht ( ), antwortet die Nonne geduldig ( ). Ich hab' ein hellgelbes Hemd zu Haus, hellgelb mit blauen Blumen ( - , - ), sagt Thesi.

Die Nonne breitet die Bettdecke sorgsam über sie ( ; die Sorge ). Irgendwo im Bett treibt sich Thesis Puderdose herum (- ). Schwester Theophania fischt sie heraus, dreht sie ungeschickt in den Händen und legt sie dann auf den Nachttisch ( , ).

 

239. Was gibt es Neues in der großen Politik, Schwester Theophania? erkundigt sich Thesi, während ihr die Nonne das Hemd auszieht. Bekümmert betrachtet Thesi ihren nackten Bauch. Ein rotgetupfter Bauch ist komisch. Ich weiß nicht, sagt Schwester Theophania und zieht Thesi ein sauberes Hemd über.

Eure Nachthemden hier sind schauerlich, klagt Thesi. Weiß. Immerfort weiße Hemden. Rosa, Schwester? Ich weiß nicht, antwortet die Nonne geduldig. Ich hab' ein hellgelbes Hemd zu Haus, hellgelb mit blauen Blumen, sagt Thesi.

Die Nonne breitet die Bettdecke sorgsam über sie. Irgendwo im Bett treibt sich Thesis Puderdose herum. Schwester Theophania fischt sie heraus, dreht sie ungeschickt in den Händen und legt sie dann auf den Nachttisch.

 

240. Da gibt es einen hübschen Amerikaner John ( ). Aber ich hab' ihn beinahe vergessen ( ). Ich war auch schon einmal verheiratet, Schwester ( , ). Mein Mann kann mich nicht leiden ( ). Mein Mann der wievielte ist heute, Schwester ( , )?

Montag, der 4. September (, ). Schwester ()! Morgen heiratet mein Mann ( )...! Schwester Theophania beugt sich gütig über Thesi, streicht ihr die Haare aus der Stirn und rückt die Kissen zurecht ( , ; rücken ; zurecht , , ; zurechtrücken ): Sie haben hohes Fieber, Frau Poulsen ( , ).

Aber Thesi kümmert sich nicht mehr um sie ( : ). Da liegt man in einem fremden Spital, steckt in einem schauderhaften Nachthemd, hat ein Gesicht wie eine ovale Tomate und einen getupften Bauch und ( , , , : )... Nein, man kann nichts tun (, ). Sven heiratet ( ). Man weiß es seit Wochen ( ; seit /- /). Man hat es sich nicht vorstellen können ( ). Sven heiratet morgen, und man kann es sich noch immer nicht vorstellen ( , ). Sven hat graue spöttische Augen, Sven riecht nach Lavendelwasser, man kennt Svens Hemden und Svens Manschettenknöpfe und sein Gesicht, wenn er schläft, und sein Gesicht, wenn er wütend ist, und sein Gesicht, sein Gesicht ( , , , , , , , ; der Manschettenknopf; die Manschétte )...

 

240. Da gibt es einen hübschen Amerikaner John. Aber ich hab' ihn beinahe vergessen. Ich war auch schon einmal verheiratet, Schwester. Mein Mann kann mich nicht leiden. Mein Mann der wievielte ist heute, Schwester?

Montag, der 4. September. Schwester! Morgen heiratet mein Mann...!

Schwester Theophania beugt sich gütig über Thesi, streicht ihr die Haare aus der Stirn und rückt die Kissen zurecht: Sie haben hohes Fieber, Frau Poulsen.

Aber Thesi kümmert sich nicht mehr um sie. Da liegt man in einem fremden Spital, steckt in einem schauderhaften Nachthemd, hat ein Gesicht wie eine ovale Tomate und einen getupften Bauch und... Nein, man kann nichts tun. Sven heiratet. Man weiß es seit Wochen. Man hat es sich nicht vorstellen können. Sven heiratet morgen, und man kann es sich noch immer nicht vorstellen. Sven hat graue spöttische Augen, Sven riecht nach Lavendelwasser, man kennt Svens Hemden und Svens Manschettenknöpfe und sein Gesicht, wenn er schläft, und sein Gesicht, wenn er wütend ist, und sein Gesicht, sein Gesicht...

 

241. Man hat sich eingebildet, dass man sich selbst sein Leben einrichten wird ( , ). Ein bezauberndes Leben, neue Reisen und neue Musik, neue Cocktails und neue Menschen ( , , ; der Cocktail). Und da liegt man und hat eine blödsinnige Kinderkrankheit, und morgen heiratet Sven ( , , ).

Heut Nachmittag bekommen Sie Besuch ( = ), sagt Schwester Theophania ( ), freuen Sie sich ( )?

Thesis Herzschlag stockt ( = ; der Herzschlag): Wer wer kommt denn ( )?

Das weiß ich nicht ( ). Gestern wurde angerufen und gefragt, wie es Ihnen geht ( : , ). Ich soll ausrichten, dass heute Nachmittag Besuch kommt ( , ).

 

241. Man hat sich eingebildet, dass man sich selbst sein Leben einrichten wird. Ein bezauberndes Leben, neue Reisen und neue Musik, neue Cocktails und neue Menschen. Und da liegt man und hat eine blödsinnige Kinderkrankheit, und morgen heiratet Sven.

Heut Nachmittag bekommen Sie Besuch, sagt Schwester Theophania, freuen Sie sich?

Thesis Herzschlag stockt: Wer wer kommt denn?

Das weiß ich nicht. Gestern wurde angerufen und gefragt, wie es Ihnen geht. Ich soll ausrichten, dass heute Nachmittag Besuch kommt.

 

242. Ich werde die Decke bis ans Kinn ziehen, denkt Thesi, dann sieht man das scheußliche Nachthemd nicht ( , , ). Ich werde mein Gesicht einpudern, ich werde ( , )... Wieso weiß jemand, dass ich krank bin ( - , )? John? Nein, nein ich will John nicht sehen, ich will ihm nicht erklären, was man leider nicht erklären kann (, , , , , ). John, schau es waren nur die hellen Nächte (, ). Wenn der Himmel silbern ist, kann man nicht einschlafen ( , ). Aber es gibt nur diese wenigen hellen Nächte im Sommer und John, verheiratet wären wir dann das ganze Jahr ( , )! John, ein verheirateter Winter ist ein endlos langer Winter (, , , ). Manchmal, du verstehst (, )? Und Sven... Die Haare, Schwester (, )! klagt Thesi ( ).

 

242. Ich werde die Decke bis ans Kinn ziehen, denkt Thesi, dann sieht man das scheußliche Nachthemd nicht. Ich werde mein Gesicht einpudern, ich werde... Wieso weiß jemand, dass ich krank bin? John? Nein, nein ich will John nicht sehen, ich will ihm nicht erklären, was man leider nicht erklären kann. John, schau es waren nur die hellen Nächte. Wenn der Himmel silbern ist, kann man nicht einschlafen. Aber es gibt nur diese wenigen hellen Nächte im Sommer und John, verheiratet wären wir dann das ganze Jahr! John, ein verheirateter Winter ist ein endlos langer Winter. Manchmal, du verstehst? Und Sven... Die Haare, Schwester! klagt Thesi.

 

243. Dauerwellen müssen etwas mit Scharlach zu tun haben ( - ; die Dauerwelle; dauern ; die Welle ). Thesis Dauerwellen sind nämlich aufgegangen, ihre Haare hängen glatt und langweilig bis zu den Schultern ( , , = ; aufgehen).

Am frühen Nachmittag ( ). Die Puderdose, Schwester (, )! jammert Thesi (/ = ). Das Bett hat Räder, und die Schwester schiebt es dicht an die Wand mit dem Vorhang ( , ). Sie zieht den Vorhang zurück ( ). Sie können durch die Glasscheibe sogar hören, was man zu Ihnen sagt ( , ), meint Schwester Theophania. Thesi zieht die Bettdecke bis ans Kinn und blickt auf den leeren Gang hinaus ( ). Sie wartet ( ). Der Gang bleibt leer ( ). Sie wird müde, es ist so heiß im Bett, wenn man die Decke bis zum Gesicht zieht ( , , ). Vielleicht kommt Sven, denkt sie ( , ).

Da klopft es an die Scheibe ( ). Thesi fährt auf, die Bettdecke verrutscht, man sieht das häßliche Hemd, Schwester Theophania steht neben ihr und zieht Thesi etwas in die Höhe ( , , , ). Ihr Besuch, Frau Poulsen ( , )!

 

243. Dauerwellen müssen etwas mit Scharlach zu tun haben. Thesis Dauerwellen sind nämlich aufgegangen, ihre Haare hängen glatt und langweilig bis zu den Schultern.

Am frühen Nachmittag. Die Puderdose, Schwester! jammert Thesi. Das Bett hat Räder, und die Schwester schiebt es dicht an die Wand mit dem Vorhang. Sie zieht den Vorhang zurück.

Sie können durch die Glasscheibe sogar hören, was man zu Ihnen sagt, meint Schwester Theophania. Thesi zieht die Bettdecke bis ans Kinn und blickt auf den leeren Gang hinaus. Sie wartet. Der Gang bleibt leer. Sie wird müde, es ist so heiß im Bett, wenn man die Decke bis zum Gesicht zieht. Vielleicht kommt Sven, denkt sie. Da klo





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