«Ich möchte eine dickere Haut bekommen, Herr Primararzt», sagt Thesi. «Eine Elefantenhaut. Wenn einer nämlich viel aushält, dann sagt man in Wien – der hat aber eine dicke Haut! Ich möchte so gern, dass mir nichts mehr weh tun soll, ich möchte eine Haut kriegen, wie ein alter, alter Elefant. Geht das, Herr Primararzt.»
Die scharfen Augen hinter der Brille heften sich auf Thesis fleckiges Gesicht: «Sie haben in letzter Zeit einiges durchgemacht, Frau Poulsen. Je mehr man durchmacht, desto dicker wird die Haut. Ich glaube, die neue Haut wird weniger empfindlich sein als die frühere.» «Medizinische Erfahrung, Herr Primararzt?»
280. «Nein, Experiment am eigenen Leib, Frau Poulsen (нет, эксперимент на собственной шкуре, госпожа Поульсен; das Experimént; der Leib – тело). Und – Sie haben doch bereits einiges hinter sich, was (и – у Вас ведь уже кое-что позади, так)?»
Thesi lehnt sich in die Kissen zurück (Тези отклоняется на подушки; das Kissen). Der Primararzt ist ein riesig sympathischer Mensch (главный врач – ужасно: «огромно» привлекательный человек). Wenn ich mich nicht gerade schälen würde, könnte ich ein bisschen mit ihm flirten, überlegt Thesi (если бы у меня сейчас как раз не облезала кожа, то я могла бы с ним немного пофлиртовать, размышляет Тези).
«Ja – ich habe einiges hinter mir, Herr Primararzt (да – у меня уже кое-что позади, господин главный врач). Zum Beispiel – Scharlach (например, скарлатина)!» lächelt sie harmlos (безобидно улыбается она; der Harm – скорбь; обида).
«Sie sind noch nicht ganz fertig damit, Sie müssen sich noch sehr ruhig verhalten (но Вы не до конца еще с ней справились, Вы должны еще вести себя очень спокойно).»
«Ich werde überhaupt schwer fertig mit gewissen Dingen (мне вообще с определенными вещами очень тяжело справиться). Aber ich kann mich nie ruhig verhalten (но я никогда не могу вести себя спокойно)», antwortet Thesi und reibt nachdenklich an ihrer Wange herum (отвечает Тези и задумчиво растирает свою щеку; reiben – тереть).
«Nicht zupfen (не дергать)!» rufen Primararzt und Schwester Theophania gleichzeitig (одновременно кричат главный врач и сестра Теофания).
280. «Nein, Experiment am eigenen Leib, Frau Poulsen. Und – Sie haben doch bereits einiges hinter sich, was?»
Thesi lehnt sich in die Kissen zurück. Der Primararzt ist ein riesig sympathischer Mensch. Wenn ich mich nicht gerade schälen würde, könnte ich ein bisschen mit ihm flirten, überlegt Thesi.
«Ja – ich habe einiges hinter mir, Herr Primararzt. Zum Beispiel – Scharlach!» lächelt sie harmlos.
«Sie sind noch nicht ganz fertig damit, Sie müssen sich noch sehr ruhig verhalten.»
«Ich werde überhaupt schwer fertig mit gewissen Dingen. Aber ich kann mich nie ruhig verhalten», antwortet Thesi und reibt nachdenklich an ihrer Wange herum.
«Nicht zupfen!» rufen Primararzt und Schwester Theophania gleichzeitig.
281. «Ich glaube – das gehört Ihnen (я думаю – это принадлежит Вам)», sagt der Primararzt unvermittelt (неожиданно: «без связи» говорит главный врач). Knöpft den weißen Mantel auf, greift in die Rocktasche und zieht eine zerknitterte Fotografie aus der Brieftasche (расстегивает белый халат, залезает в карман пиджака и вынимает из бумажника помятую фотографию; der Rock –
/устар./ пиджак, тужурка, /воен./ мундир, френч). «Da – haben Sie das nicht in meinem Zimmer verloren (это – это не Вы потеряли в моем кабинете; verlieren)?»
Thesi dreht verlegen das kleine verwischte Foto in den Händen und versucht, sich zu erinnern, wie das Bild in die Brieftasche vom Herrn Primararzt gekommen sein mag (Тези растерянно вертит в руках маленькое потертое фото и пытается вспомнить, как фотография могла попасть в бумажник господина главного врача). Der Arzt bemerkt ihren hilflosen Blick (врач замечает ее беспомощный взгляд): «Ich glaube, beim Radio in meinem Zimmer haben Sie das Bild vergessen, nicht wahr (я полагаю, Вы забыли фотографию около радио в моем кабинете, не так ли)?»
Über Thesis Züge fliegt Erschrecken (по чертам Тези проносится испуг = по лицу Тези проносится испуг; das Erschrecken; fliegen – летать). In den langen, langen Stunden des Gesundwerdens schiebt sich die Erinnerung an den Kriegsausbruch immer mehr zurück (за долгие-долгие часы процесса выздоровления воспоминание о начале войны все больше отодвигается назад; das Gesundwerden; der Kriegsausbruch). Sie will doch gesund werden (ведь она хочет выздороветь). Und diese Erinnerung lähmt (а это воспоминание парализует). Manchmal – nachts, denkt sie an Garys Abschied und Garys Reise (иногда – ночами, она думает о прощании с Гари и о поездке Гари). Dann beißt sie in ihre Hand, um nicht zu schreien (потом она кусает свою руку, чтобы не закричать). Und Schwester Theophania murmelt verschlafen (и сестра Теофания сонно бормочет): «Nicht weinen, nicht zupfen (не плакать, не дергать)...»
281. «Ich glaube – das gehört Ihnen», sagt der Primararzt unvermittelt. Knöpft den weißen Mantel auf, greift in die Rocktasche und zieht eine zerknitterte Fotografie aus der Brieftasche. «Da – haben Sie das nicht in meinem Zimmer verloren?»
Thesi dreht verlegen das kleine verwischte Foto in den Händen und versucht, sich zu erinnern, wie das Bild in die Brieftasche vom Herrn Primararzt gekommen sein mag. Der Arzt bemerkt ihren hilflosen Blick: «Ich glaube, beim Radio in meinem Zimmer haben Sie das Bild vergessen, nicht wahr?»
Über Thesis Züge fliegt Erschrecken. In den langen, langen Stunden des Gesundwerdens schiebt sich die Erinnerung an den Kriegsausbruch immer mehr zurück. Sie will doch gesund werden. Und diese Erinnerung lähmt. Manchmal – nachts, denkt sie an Garys Abschied und Garys Reise. Dann beißt sie in ihre Hand, um nicht zu schreien. Und Schwester Theophania murmelt verschlafen: «Nicht weinen, nicht zupfen...»
282. «Ja, das Bild (да, фотография)! Danke vielmals (спасибо большое). Woran haben Sie denn erkannt, dass das Foto mir gehört (откуда же Вы узнали, что фотография принадлежит мне)?»
«Es stellt doch einen Soldaten in österreichischer Uniform dar (на ней ведь изображен солдат в австрийской форме; darstellen – представлять, изображать). Die Züge sind schon sehr verblasst, aber die Weltkriegsuniform erkennt man sehr deutlich (черты уже выцвели, но униформу времен мировой войны можно узнать очень отчетливо). Der unbekannte Soldat – sagte ich zu mir (незнакомый солдат – сказал я себе).»
«Für mich bedeutet das Bild – der bekannte Soldat (для меня это фотография обозначает – знакомого солдата). Das Bild soll meinen Vater darstellen (на фотографии должен быть изображен мой отец). Aber jetzt (но сейчас) –» Sie hebt das Bild dicht vor die Augen, ihr Gesicht wird unendlich zärtlich (она поднимает фотографию близко к глазам, ее лицо становится бесконечно нежным): «Man kann doch gar nicht mehr genau erkennen, welche Uniform es ist (но ведь здесь нельзя точно определить, что это за униформа). Mein bekannter Soldat – es könnte auch Gary sein (мой знакомый солдат – это мог бы быть также Гари). Gary, Herr Primararzt!»
282. «Ja, das Bild! Danke vielmals. Woran haben Sie denn erkannt, dass das Foto mir gehört?»
«Es stellt doch einen Soldaten in österreichischer Uniform dar. Die Züge sind schon sehr verblasst, aber die Weltkriegsuniform erkennt man sehr deutlich. Der unbekannte Soldat – sagte ich zu mir.»
«Für mich bedeutet das Bild – der bekannte Soldat. Das Bild soll meinen Vater darstellen. Aber jetzt –»
Sie hebt das Bild dicht vor die Augen, ihr Gesicht wird unendlich zärtlich: «Man kann doch gar nicht mehr genau erkennen, welche Uniform es ist. Mein bekannter Soldat – es könnte auch Gary sein. Gary, Herr Primararzt!»
283. «Ein Engländer (англичанин)?» fragt der Primararzt höflich (спрашивает главный врач вежливо).
«Mein lieber Freund (мой милый друг). Wir sind im Sommer eine ganze Nacht auf einer Wiese gesessen und haben die Sterne angeschaut (мы летом целую ночь сидели вместе на лугу и разглядывали звезды). Und ich weiß genau – wir haben beide gedacht, dass noch alles gut werden könnte (и я знаю точно – мы оба думали о том, что все еще может быть хорошо).»
«Es wird auch alles gut werden (но все еще будет хорошо)», sagt der Primararzt gewohnheitsmäßig, man muss Patienten immer beruhigen (по привычке говорит главный врач, пациентов всегда надо успокаивать; die Gewohnheit – привычка).
Thesi nickt (Тези кивает): «Jetzt hab' ich alle Kinderkrankheiten hinter mir (теперь я перенесла все детские заболевания: «имею за собой = за своей спиной»). Masern und Schafblattern hab' ich als Schulmädel gehabt (корью и ветряной оспой я переболела еще будучи школьницей; die Schafblattern – овина, овечья оспа; das Schulmädel). Und Scharlach, die letzte Kinderkrankheit, ist auch bald vorbei (и скарлатина, последняя детская болезнь, тоже скоро пройдет). Jetzt sollte ich endlich erwachsen werden (теперь я должна, наконец, стать взрослой). Glauben Sie, Herr Primararzt, kann man in meinem Alter noch ein erwachsener Mensch werden (как Вы думаете, господин главный врач, в моем возрасте можно еще стать взрослым человеком)?»
283. «Ein Engländer?» fragt der Primararzt höflich.
«Mein lieber Freund. Wir sind im Sommer eine ganze Nacht auf einer Wiese gesessen und haben die Sterne angeschaut. Und ich weiß genau – wir haben beide gedacht, dass noch alles gut werden könnte.»
«Es wird auch alles gut werden», sagt der Primararzt gewohnheitsmäßig, man muss Patienten immer beruhigen.
Thesi nickt: «Jetzt hab' ich alle Kinderkrankheiten hinter mir. Masern und Schafblattern hab' ich als Schulmädel gehabt. Und Scharlach, die letzte Kinderkrankheit, ist auch bald vorbei. Jetzt sollte ich endlich erwachsen werden. Glauben Sie, Herr Primararzt, kann man in meinem Alter noch ein erwachsener Mensch werden?»
284. Der Primararzt versucht, ein ernstes Gesicht zu machen (главный врач пытается сделать серьезное лицо = придать лицу серьезное выражение). Diese Frau Poulsen hat so ernsthafte Augen (у этой госпожи Поульсен такие серьезные глаза = такое серьезное выражение глаз). «Tja – es kommt darauf an, ob Sie Ihre Pflichten erkennen (да/ну – это зависит от того, осознаете ли Вы свои обязанности; die Pflicht)», sagt er, um sich würdevoll aus der Affäre zu ziehen (говорит он, чтобы достойно выйти из этой истории; die Affäre). Thesi seufzt (Тези вздыхает): «Pflichten (обязанности)? Ich bin zu allem fähig und zu nichts wirklich brauchbar (я на все способна и ни к чему, на самом деле, непригодна)!»
«Nicht zupfen (не дергать)», ermahnt der Primararzt und beendet die Nachmittagsvisite bei Maria Theresia Poulsen (напоминает главный врач и заканчивает свой вечерний визит к Марии Терезе Поульсен).
284. Der Primararzt versucht, ein ernstes Gesicht zu machen. Diese Frau Poulsen hat so ernsthafte Augen. «Tja – es kommt darauf an, ob Sie Ihre Pflichten erkennen», sagt er, um sich würdevoll aus der Affäre zu ziehen. Thesi seufzt: «Pflichten? Ich bin zu allem fähig und zu nichts wirklich brauchbar!»
«Nicht zupfen», ermahnt der Primararzt und beendet die Nachmittagsvisite bei Maria Theresia Poulsen.
285. «Frau Poulsen – heute dürfen Sie auf eine halbe Stunde aufstehen (госпожа Поульсен – сегодня Вы можете на полчаса встать)!» verkündet Schwester Theophania eines Tages (объявляет однажды сестра Теофания). «Aufstehen (встать)?» fragt Thesi verständnislos und erschrickt ein wenig (непонимающе спрашивает Тези и немного пугается; das Verständnis – понимание).
«Freuen Sie sich denn nicht darüber (Вы разве этому не рады)?» lächelt Schwester Theophania und meint, dass es am nettesten wäre, nach Tisch aufzustehen (улыбается сестра Теофания и говорит, что лучше всего было бы встать после обеда). Zur Besuchsstunde (к часу посещения). Vielleicht kommt heute wieder das nette Fräulein Ulla oder Fräulein Betsy mit dem buntbemalten Gesicht (возможно, сегодня снова придет милая фрейлейн Улла или фрейлейн Бетси с ярко-накрашенным лицом). Vielleicht kommt auch der freundliche Onkel mit dem weißen Schnurrbart (возможно, придет также приветливый дядюшка с белыми усами). «Ich hab' Ihnen doch schon gesagt, dass es gar kein Onkel ist, sondern nur ein Herr Direktor Nielsen (я ведь Вам говорила, что это не дядюшка, а просто господин директор Нильсен)», sagt Thesi müd und überlegt, ob sie sich eigentlich freut, dass sie aufstehen darf (устало говорит Тези и размышляет, радуется ли она в самом деле тому, что ей разрешено встать). Es ist so angenehm, in einem weißen Bett zu liegen und gepflegt zu werden und gar nichts zu überlegen (это так приятно лежать в белой постели, и чтобы за тобой ухаживали, и тебе ни о чем не надо размышлять). Gegen drei Uhr nachmittags tauchen manchmal bekannte Gesichter hinter der Scheibe auf, man lacht ihnen zu – und man muss keine richtigen Gespräche mit ihnen führen, sie sind doch nur hinter Glas (около трех часов /пополудни/ за стеклом иногда возникают знакомые лица, ты им улыбаешься – и нет необходимости вести с ними настоящие беседы, ведь они всего лишь за стеклом; tauchen – нырять; auftauchen – выныривать, возникать). Und später, wenn sie wieder verschwunden sind, hat man viel Zeit, über diese Gesichter nachzudenken (и позже, когда они снова исчезают, у тебя есть много времени, чтобы поразмышлять об этих лицах; verschwinden). Man hat überhaupt viel Zeit, herrlich viel Zeit (и вообще у тебя много времени, необыкновенно много времени)...
285. «Frau Poulsen – heute dürfen Sie auf eine halbe Stunde aufstehen!» verkündet Schwester Theophania eines Tages.
«Aufstehen?» fragt Thesi verständnislos und erschrickt ein wenig. «Freuen Sie sich denn nicht darüber?» lächelt Schwester Theophania und meint, dass es am nettesten wäre, nach Tisch aufzustehen. Zur Besuchsstunde. Vielleicht kommt heute wieder das nette Fräulein Ulla oder Fräulein Betsy mit dem buntbemalten Gesicht. Vielleicht kommt auch der freundliche Onkel mit dem weißen Schnurrbart. «Ich hab' Ihnen doch schon gesagt, dass es gar kein Onkel ist, sondern nur ein Herr Direktor Nielsen», sagt Thesi müd und überlegt, ob sie sich eigentlich freut, dass sie aufstehen darf. Es ist so angenehm, in einem weißen Bett zu liegen und gepflegt zu werden und gar nichts zu überlegen. Gegen drei Uhr nachmittags tauchen manchmal bekannte Gesichter hinter der Scheibe auf, man lacht ihnen zu – und man muss keine richtigen Gespräche mit ihnen führen, sie sind doch nur hinter Glas. Und später, wenn sie wieder verschwunden sind, hat man viel Zeit, über diese Gesichter nachzudenken. Man hat überhaupt viel Zeit, herrlich viel Zeit...
286. «Es wird eine große Überraschung sein, wenn Sie zur Besuchsstunde aufstehen und selbst ans Fenster treten (это будет большой сюрприз, если Вы к часу посещения встанете и сами подойдете к окну).»
«Vielleicht kommt heute Sven (быть может, сегодня придет Свен)», sagt Thesi. Das sagt sie jeden Morgen (она говорит это каждое утро). Vielleicht (может быть)... Sven kommt selten, Sven hat jetzt besonders viel zu tun (Свен приходит редко, у Свена сейчас особенно много дел). Warum hat eigentlich Sven gerade jetzt so viele Aufträge (почему, собственно, именно сейчас у Свена так много заказов; der Auftrag)? Der Krieg hat doch erst begonnen, gibt es bereits Kriegsgewinnler (война ведь только началась, неужели уже есть спекулянты, нажившиеся на военных поставках; der Kriegsgewinnler; gewinnen – выигрывать)?
«Ich habe keinen Schlafrock, Schwester (сестра, у меня нет шлафрока /домашнего халата/; der Schlafrock)», wirft Thesi ein und denkt, dass man ohne Schlafrock nicht aufstehen kann (возражает Тези и думает, что без шлафрока нельзя вставать; einwerfen). Es ist so warm und gut im weißen Bett (в кровати так тепло и хорошо).
«Oh, Sie bekommen einen Spitаlsmantel (о, Вам получите больничный халат)!» antwortet Schwester Theophania vergnügt (весело/удовлетворенно отвечает сестра Теофания).
«Und Hausschuhe (а домашние туфли; der Hausschuh)?»
«Auch vom Spital (также из больницы = также получите больничные).»
Darauf lässt sich nichts erwidern (на это нечего возразить). Thesi soll eine halbe Stunde aufstehen (Тези должна встать на полчаса). Sie bekommt einen Spitalsmantel (она получит больничный халат). Hübsch wird das sein, so ein Spitalsmantel (мило это будет выглядеть, такой больничный халат)!
286. «Es wird eine große Überraschung sein, wenn Sie zur Besuchsstunde aufstehen und selbst ans Fenster treten.»
«Vielleicht kommt heute Sven», sagt Thesi. Das sagt sie jeden Morgen. Vielleicht... Sven kommt selten, Sven hat jetzt besonders viel zu tun. Warum hat eigentlich Sven gerade jetzt so viele Aufträge? Der Krieg hat doch erst begonnen, gibt es bereits Kriegsgewinnler?
«Ich habe keinen Schlaf rock, Schwester», wirft Thesi ein und denkt, dass man ohne Schlafrock nicht aufstehen kann. Es ist so warm und gut im weißen Bett.
«Oh, Sie bekommen einen Spitalsmantel!» antwortet Schwester Theophania vergnügt.
«Und Hausschuhe?»
«Auch vom Spital.»
Darauf lässt sich nichts erwidern. Thesi soll eine halbe Stunde aufstehen. Sie bekommt einen Spitalsmantel. Hübsch wird das sein, so ein Spitalsmantel!
287. Zehn Minuten vor drei zieht Schwester Theophania die Bettdecke fort (без десяти минут три сестра Теофания стягивает /с Тези/ одеяло). Thesi setzt sich auf und schiebt langsam die Beine aus dem Bett (Тези садится и медленно вынимает ноги из постели). Dann lässt sie vorsichtig die Beine auf den Boden baumeln und reibt nachdenklich mit der großen Zehe auf dem Fußboden herum (затем она осторожно опускает ноги болтаться над полом и водит большим пальцем ноги по полу = затем она осторожно спускает ноги, они болтаются над полом, а она задумчиво водит большим пальцем ноги по полу; reiben – тереть, натирать, растирать; die Zehe – палец ноги). Aber da steckt Schwester Theophania Thesis Füße in große Filzpantoffeln (но тут сестра Теофания вставляет ноги Тези в большие войлочные туфли; der Filzpantóffel; der Filz; der Fuß). Die Filzpantoffeln sind braungrau kariert und sehr abscheulich (войлочные туфли в серо-коричневую клеточку, ужасно отвратительные). «Lassen Sie mich lieber im Bett (оставьте лучше меня в кровати)», schlägt Thesi vor (предлагает Тези; vorschlagen).
«Kommen Sie nur, Sie sind gesund (пойдемте же, Вы здоровы)!» muntert Schwester Theophania auf, zieht Thesi in die Höhe und stellt sie auf (приободряет сестра Теофания, приподнимает Тези вверх и ставит ее /на ноги/; munter – бодрый; aufmuntern – ободрять). Thesi steht (Тези стоит). Knieweich zwar und fröstelnd und sehr ungern, aber – sie steht (правда, с согнутыми и дрожащими коленями и очень неохотно, но – она стоит; frösteln – дрожать, зябнуть; weich – мягкий, гибкий).
«Mir ist schwindlig, Schwester (сестра, у меня кружится голова)!»
«Das kommt Ihnen nur so vor, Frau Poulsen (Вам это только кажется, госпожа Поульсен; vorkommen). Schnell den Spitalsmantel anziehen (быстро одевайте больничный халат)!»
«Mir ist sehr schlecht, Schwester (сестра, мне очень плохо)!»
«Das kommt Ihnen nur so vor, Frau Poulsen (Вам это только кажется, госпожа Поульсен)!»
Der Spitalsmantel ist aus Barchent und grau in grau gestreift (больничный халат из бумазеи и в серую полоску; der Bárchent; grau in grau – в серых тонах; gestreift – полосатый). Er ist viel zu groß für Thesi, sie steckt darin wie in einem weiten Sack (он слишком велик для Тези, она болтается в нем, как в широком мешке; stecken – находиться, быть, торчать; der Sack). Und die Ärmel sind zu lang und – überhaupt (и рукава слишком длинные и – вообще; der Ärmel)!
287. Zehn Minuten vor drei zieht Schwester Theophania die Bettdecke fort. Thesi setzt sich auf und schiebt langsam die Beine aus dem Bett. Dann lässt sie vorsichtig die Beine auf den Boden baumeln und reibt nachdenklich mit der großen Zehe auf dem Fußboden herum. Aber da steckt Schwester Theophania Thesis Füße in große Filzpantoffeln. Die Filzpantoffeln sind braungrau kariert und sehr abscheulich.
«Lassen Sie mich lieber im Bett», schlägt Thesi vor.
«Kommen Sie nur, Sie sind gesund!» muntert Schwester Theophania auf, zieht Thesi in die Höhe und stellt sie auf. Thesi steht. Knieweich zwar und fröstelnd und sehr ungern, aber – sie steht.
«Mir ist schwindlig, Schwester!»
«Das kommt Ihnen nur so vor, Frau Poulsen. Schnell den Spitalsmantel anziehen!»
«Mir ist sehr schlecht, Schwester!»
«Das kommt Ihnen nur so vor, Frau Poulsen!»
Der Spitalsmantel ist aus Barchent und grau in grau gestreift. Er ist viel zu groß für Thesi, sie steckt darin wie in einem weiten Sack. Und die Ärmel sind zu lang und – überhaupt!
288. «Kranke Menschen lässt man im Bett (больных людей оставляют в постели)», knurrt Thesi und schlurft knieweich zum Fenster (ворчит Тези и шаркающими шагами на полусогнутых коленях идет к окну; schlurfen – шаркать /ногами, туфлями/). Man sieht in einen gepflasterten Hof mit drei mageren Bäumen (/в окно/ виден мощеный двор с тремя тощими деревьями; das Pflaster – мостовая, брусчатка). Die armseligen Bäume haben rotgelbe Blätter (на жалких деревцах висят желто-красные листья). Unter dem Baum rechts ist eine Bank, auf dieser Bank sitzt eine Frau (под деревом справа стоит скамья, на скамье сидит женщина). Die Frau hält das Taschentuch vor ihren Mund (женщина держит около своего рта платок). Man kann ihr Gesicht nicht genau erkennen (нельзя четко разглядеть ее лицо).
Thesi, die fünf Wochen lang nur den Himmel anschauen konnte, interessiert sich sehr für die Vorgänge im Hof (Тези, которая на протяжении пяти недель могла рассматривать /в окно/ только небо, живо интересуется событиями /происходящими/ во дворе; der Vorgang). «Schwester, da unten sitzt eine Frau (сестра, там внизу сидит женщина). Ich glaube, sie weint (я полагаю, она плачет)», berichtet Thesi (сообщает Тези).
«So –», sagt Schwester Theophania gleichgültig und hantiert mit Thesis Bettzeug herum (равнодушно говорит сестра Теофания и занимается постельными принадлежностями Тези).
«Vielleicht ist jemand gestorben (возможно, кто-то умер)», meint Thesi und beobachtet die Frau unter dem trübseligen Bäumchen (высказывает свое мнение Тези и наблюдает за женщиной под мрачным деревцем).
288. «Kranke Menschen lässt man im Bett», knurrt Thesi und schlurft knieweich zum Fenster. Man sieht in einen gepflasterten Hof mit drei mageren Bäumen. Die armseligen Bäume haben rotgelbe Blätter. Unter dem Baum rechts ist eine Bank, auf dieser Bank sitzt eine Frau. Die Frau hält das Taschentuch vor ihren Mund. Man kann ihr Gesicht nicht genau erkennen.
Thesi, die fünf Wochen lang nur den Himmel anschauen konnte, interessiert sich sehr für die Vorgänge im Hof. «Schwester, da unten sitzt eine Frau. Ich glaube, sie weint», berichtet Thesi.
«So –», sagt Schwester Theophania gleichgültig und hantiert mit Thesis Bettzeug herum.
«Vielleicht ist jemand gestorben», meint Thesi und beobachtet die Frau unter dem trübseligen Bäumchen.
289. «Jetzt sind Sie wieder gesund (теперь Вы снова здоровы)!» sagt Schwester Theophania freundlich (приветливо говорит сестра Теофания). Sie hat Thesi nicht zugehört, sondern das Bett in Ordnung gebracht (она не слушала Тези, а приводила в порядок кровать).
«Ja – jetzt bin ich also wieder gesund (да – итак, теперь я снова здорова)», nickt Thesi und wendet den Blick von der fremden weinenden Frau (кивает Тези и отворачивает взгляд от незнакомой плачущей женщины). Vielleicht hat die Arme auch nur Zahnweh, denkt sie, alles ist möglich, ich bin also wieder gesund, ich muss vielleicht bald fort von hier und irgend etwas Vernünftiges anfangen (возможно, у бедняжки всего лишь болит зуб, думает она, все возможно, итак, я снова здорова, вероятно, я скоро должна буду покинуть больницу и начать заниматься чем-либо разумным). Warum eigentlich etwas Vernünftiges (почему, собственно, чем-либо разумным)? Es ist ein Vorurteil, dass erwachsene alleinstehende Menschen vernünftig sein sollen (это предрассудок, что взрослые, отдельно проживающие = не состоящие в браке люди должны быть благоразумными). Ich müsste mir etwas Nettes, Blödsinniges ausdenken, ich möchte mir gern eine Freude machen (я должна придумать для себя что-нибудь милое, сумасшедшее/глупое, я очень бы хотела доставить себе радость). Ich weiß nur nicht, was Freude machen könnte, ich (я только не знаю, что бы могло доставить радость, я)–
«Besuchsstunde (час посещений)», sagt Schwester Theophania. Thesi schlurft zum Besucherfenster und zieht selbst den Vorhang zurück (Тези шаркающими шагами идет к окну посещений и сама отодвигает занавес). Schwester Theophania stellt einen Stuhl vor die Scheibe (сестра Теофания ставит перед стеклом стул): «Setzen Sie sich, Frau Poulsen, Sie sind noch schwach (садитесь, госпожа Поульсен, Вы ведь еще слабы).»
289. «Jetzt sind Sie wieder gesund!» sagt Schwester Theophania freundlich. Sie hat Thesi nicht zugehört, sondern das Bett in Ordnung gebracht.
«Ja – jetzt bin ich also wieder gesund», nickt Thesi und wendet den Blick von der fremden weinenden Frau. Vielleicht hat die Arme auch nur Zahnweh, denkt sie, alles ist möglich, ich bin also wieder gesund, ich muss vielleicht bald fort von hier und irgend etwas Vernünftiges anfangen. Warum eigentlich etwas Vernünftiges? Es ist ein Vorurteil, dass erwachsene alleinstehende Menschen vernünftig sein sollen. Ich müsste mir etwas Nettes, Blödsinniges ausdenken, ich möchte mir gern eine Freude machen. Ich weiß nur nicht, was Freude machen könnte, ich –
«Besuchsstunde», sagt Schwester Theophania. Thesi schlurft zum Besucherfenster und zieht selbst den Vorhang zurück. Schwester Theophania stellt einen Stuhl vor die Scheibe: «Setzen Sie sich, Frau Poulsen, Sie sind noch schwach.»
290. Thesi sitzt vor dem leeren Fenster (Тези сидит перед пустым окном). Die Ärmel fallen über ihre Hände, unter dem komischen, grau in grau gestreiften Sack schauen riesige Filzpantoffeln hervor (рукава закрываю ладони, из-под забавного мешка в серую полоску выглядывают огромные войлочные туфли; hervor – наружу). Thesis Haare hängen glatt und strähnig bis zu den Schultern, und ihr mageres Gesicht ist nicht mehr gelb gefleckt, sondern einfarbig blass (волосы Тези свисают прямыми прядями до плеч, и ее худое лицо больше не покрыто желтыми пятнами, оно совершенно бледное; die Strähne – прядь; einfarbig – одноцветный). Sie schaut zu Boden, weil sie sich gerade ängstlich bemüht, die Filzpantoffeln unter dem Stuhl zu verstecken (она смотрит на пол, потому что она сейчас как раз старается спрятать под стул войлочные туфли). Dann blickt sie auf –und gerade in Svens lachendes Gesicht (затем она поднимает взгляд вверх – и прямо/как раз в смеющееся лицо Свена). Thesi kann sich nicht erinnern, Sven jemals so herzlich lachen gesehen zu haben (Тези не может вспомнить, видела ли она когда-то, чтобы Свен так от души смеялся). Es ist beleidigend (это оскорбительно; beleidigen – обижать, оскорблять). Kränkend (обидно; kränken – обижать, задевать). Es ist gemein und tut weh (это подло и причиняет боль).
«Warum lachst du so (почему ты так смеешься)?» fährt sie ihn an (кричит: «наезжает» она на него).
290. Thesi sitzt vor dem leeren Fenster. Die Ärmel fallen über ihre Hände, unter dem komischen, grau in grau gestreiften Sack schauen riesige Filzpantoffeln hervor. Thesis Haare hängen glatt und strähnig bis zu den Schultern, und ihr mageres Gesicht ist nicht mehr gelb gefleckt, sondern einfarbig blass. Sie schaut zu Boden, weil sie sich gerade ängstlich bemüht, die Filzpantoffeln unter dem Stuhl zu verstecken. Dann blickt sie auf –und gerade in Svens lachendes Gesicht.