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Das Thema: Eine Geschichte.




In seinem berühmt gewordenen Kalender, dem Rheinischen Hausfreund, erzählt Johann Peter Hebel 1809 folgende Geschichte:

Ein einfältiger Mensch in Mailand wollte sein Haus verkaufen. Damit er nun so sehr davon loswerden möchte, brach er einen großen Stein aus demselben heraus, trug ihn auf den großen Marktplatz, wo viel Verkehr und Handel getrieben wird, und setzte sich damit unter die Verkäufer. Wenn nun ein Mann kam und fragt ihn: Was habt Ihr denn feil?, so sagt er: Mein zweistöckiges Haus in der 'Kapuzinergasse. Wenn Ihr Lus.t habt hier ist ein Muster!'

Erste Variante: Ein Brief.

Nehmen wir einmal an, wir seien in Mailand gewesen, hätten, was Hebel erzählt, selbst erlebt und wollten es nun einmal einem Freunde brieflich mitteilen. Das würde dann so aussehen:

Lieber Freund!

Nun bin ich also in Mailand und erlebte viel Schönes und auch Merkwürdiges. Wer die Augen aufmacht, kann Manches beobachten, und Du weißt ja, daß ich gern rundherum gucke. Da sah ich doch gestern, hier auf dem recht verkehrsreichen Markt, einen Mann mitten unter den ändern Händlern, der scheinbar nichts zu verkaufen hatte. Vor ihm lag ein ziemlich großer Stein, der so aussah, als wäre er aus einer Mauer herausgebrochen worden. Ich sah ihm eine Weile zu; er sprach manchmal ein paar Worte mit einem der Kauflustigen, die zwischen den Reihen auf und abgingen. Schließlich trat ich an ihn heran und fragte ihn, womit er handele. Ich rtiöchte, sagte er, mein zweistöckiges Haus in der Kapuzinergasse verkaufen. Wenn Sie sich dafür interessieren (und dabei zeigte er auf den Steinbrocken), so sieht es aus!

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Ist das nicht ein nettes Erlebnis? Man weiß nicht, ob diese Menschen mehr einfältig als durchtrieben oder mehr träge als töricht sind. Und so schade, daß Du nicht hier bist! Viele herzliche Grüße! Dein Paul

Zweite Variante: Ein Bericht.

Es könnte sein, daß der Vorfall in Mailand die Aufmerksamkeit der Polizei erregt hätte: der merkwürdige Hausverkäufer wäre festgenommen und unser reisender Freund als Zeuge vernommen worden. Nun diktiert er auf der Wache seinen Bericht:

Bei einem Spaziergang über den Markt beobachtete ich unter den Verkäufern einen Mann, der hinter einem Mauerstein saß und scheinbar nichts tat. Ich fragte ihn. ob er zu den Händlern gehöre und was er verkaufe. Er bejahte meine Frage und erklärte, er biete sein zweistöckiges Haus in der Kapuzinergasse feil, und für etwaige Interessenten habe er den Stein als Muster mitgenommen.

Dritte Variante: Ein Tagebucheintrag.

Unser Reisender geht in sein Hotel; der Abend kommt, und er macht sich daran, das, was er am Tage erlebte, in sein Tagebuch zu notieren. Er schreibt keine Ergüsse nieder, sondern beschränkt sich darauf, die Geschehnisse seiner Reise in Stichworten festzuhalten. Er schreibt, was er am Morgen getan hat, und fährt dann fort:

Mittags über den Markt geschlendert. Bemerkte unter den Händlern einen Mann mit einem Mauerstein: er wollte sein Haus verkaufen; der Stein sollte als Muster dienen.

U. .. "Im Frühling singt zum letzten Mal die Lerche" . .

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Das giftigste aller je von Menschenhand geschaffenen Gifte heißt 2-3-7-8-TCDD. Seitdem weltbekannten Industrieunfall von 1976 nennt man es Seveso-Dioxin. Hier eine Charakteristik dieses Supergiftes: krebserzeugend, erbgutschädigend, mißbildungsverursachend. Zehntausendmal so giftig wie Zyankali, sechzigtausendmal so mißbildungsverursachend wie Contergan... Valerie Roths Stimme erklingt über den Lautsprecher.

Der Monitor der BETA-Ausrüstung stand auf dem Boden des kleinen Pensionszimmers. Über einen Recorder liefen auf seiner Mattscheibe alle elektronischen Aufzeichnungen zu einer weiteren Folge der Umweltserie ab, welche Marvirr mit dem Team bereits gemacht hatte. Die Pension lag an der Peripherie einer deutschen Großstadt. Bernd Ekland und Katja wohnten vorübergehend hier, die anderen in einem Hotel. Der Kameramann, sein Techniker, Markus Marvin und Valerie Roth wollten noch am späten Abend dieses 13. September, bevor sie abreisten, die Qualität der bisherigen elektronischen Aufzeichnungen überprüfen.

Der Bildschirm zeigt Valerie, ein Stabmikrophon.i n der Hand, vor einer Art riesigem Stammbaum, der aus sehr komplizierten chemichen Formeln besteht. Er bedeckt eine ganze Laborwand.

Valeries Stimme fährt fort: Durch den Unglücksfall in Seveso ist Dioxin 2-3-7-8-TCDD das steht für Tetrachlordibenzodioxin -weltberühmt, besser: weltberüchtigt geworden. Aber das TCDD ist nur ein Vertreter aus einer großen Familie von fünfundsiebzig verschiedenen Dioxinen. Und dann gibt es noch eine überaus zahlreiche und zum Teil nicht weniger giftige Verwandtschaft. Das sind einhundertfünfunddreißig sogenannte chlorierte Dibenzofurane. Wenn wir hier also von den Dioxinen sprechen, dann meinen wir damit die insgesamt zweihundertundzehn Vertreter dieser ehrenwerten Familie, nicht nur das in Seveso freigesetzte 2-3-7-8-TCDD.

Die Kamera zeigt das Bundesinnenministerium in Bonn. Dazu Marvins Stimme: Der Bundesregierung in Bonn, genauer gesagt: dem damals für Umweltschutz zuständigen Innenminister Zimmermann wurde schon 1983 schon 1983! ein "Steckbrief der Dioxinfamilie vorgelegt. Es ist wahrscheinlich, daß in späteren Jahren weitere "Steckbriefe" dazukamen, als es ein Bundesumweltministerium und einen Bundesumweltminister gab. Wir haben nur den Bericht von 1983, und auch in seinen Besitz gerieten wir bloß, weil einen Beamten die Sorge um

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diese Welt nicht mehr schlafen ließ. Er hat uns eine Fotokopie zukommen lassen. Bei der großen Zahl von Beamten und Mitarbeitern im Ministerium ist es unmöglich, den Mann zu finden, der uns dieses geheime Material übergab...

Hoffentlich, sagte Marvin und klopfte dreimal auf das Holz des Pensionszimmertisches.

Kannst beruhigt sein, sagte Valerie. Das hat Philip sehr gut formuliert. Ihr wißt, daß unser Mann aus einer ganz anderen Ecke kommt.

Am Bildschirm jetzt ein dicker Bericht.

Stimme Marvins: Dieses Dokument trägt den Titel: "Sachstand Dioxine" und wurde im Bundesamt Berlin erstellt. Anlaß war die erregte öffentliche Diskussion im Frühjahr 1983 über den Verbleib von einundvierzig Fässern mit dioxinhaltigen Abfällen aus der Unglücksfabrik in Seveso.

Valeries Stimme: Das Dokument lag dem Minister bereits im Mai 1983 vor. Es hat das Aktenzeichen (man sieht es im Bild) römisch eins, arabisch vier, Strich neun-sieben-null-sechs-eins, Schrägstrich einundsechzig und den Stempel (Kamera fährt auf ihn zu): VS.

Marvins Stimme: VS das heißt: Verschlußsache. Nur für den Dienstgebrauch.

Valerie Roth braune Contactlinsen trug sie an diesem Abend bat Ekland: Halt mal an!. Er stoppte die Kassette. Sind Philips Texte okey für euch?

Völlig, sagte Marvin. Das mit den wechselnden Stimmen auch. Klingt jetzt schon prima. Wir haben ja nur provisorisch deine und meine Stimme darauf gelegt. Später sprechen das Profis... Laß weiterlaufen, Bernd!

Dieser setzte die Kassette wieder in Gang. Von der Straße herauf ertönte die gehetzte Sirene einer Ambulanz, wurde sehr laut, verklang...

Valeries Stimme: Sehen wir uns also an, welches geheime Wissen den obersten Umweltschützer von 1983 über die Familie der Dioxine schon vor fünf Jahren zur Verfügung stand.

Stimme Marvins: Am meisten schockiert die Aussage, daß Dioxine mittlerweile ubiquitär, das heißt allgegenwärtig geworden sind -also auch in unseren Nahrungsmitteln, in unserer Atemluft. Und das ist der Bundesregierung seit Jahren bekannt!

Valeries Stimme: Im Bericht heißt es beschwichtigend: Bei den in der Nahrungskette und in der Umwelt ubiquitär vorkommenden TCDD-Konzentrationen muß eine Gefährdung des Menschen nicht in Betracht

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gezogen werden. Und ganz alarmierend ist folgendes Zitat: Normalbürger können Dioxine nur über Lebensmittel oder die Atemluft aufnehmen. Von den Lebensmitteln sind dabei in erster Linie fetthaltiges Fleisch, Milchprodukte von Rindern wie Fleisch von Fischen zu berücksichtigen.

Marvins Stimme: Wir können Dioxine nur über Lebensmittel oder die Atemluft aufnehmen! Soll das ein Witz sein? Wie denn noch? In Tablettenform oder als Badezusatz?

Valeries Stimme: An anderer Stelle lesen wir, Süßwasserfische in bestimmten Gewässern seien bereits derart hoch mit Dioxinen belastet, daß der regelmäßige Verzehr von nur zweihundert Gramm pro Woche einen Menschen der Gefahr aussetzt, krebskrank zu werden, oder über die Schädigung des Erbgutes oder des Embryos Mißbildungen bei Babys zu erzeugen. Wohlgemerkt: Der Verzehr von nur zweihundert Gramm Süßwasserfisch pro Woche, ungeachtet weiterer Dioxinzufuhr über die Atemluft oder sonstige Nahrungsmittel.

Woher diese Allgegenwart der Dioxine? fragten die Filmemacher. Wie kam es, daß diese ultragiftigen Stoffe sich überallhin ausbreiten konnten? Und in ihrem Report, der da als erste Rohfassung im Zimmer einer kleinen Pension in einer großen deutschen Stadt ablief, beantworteten sie ihre Frage...

...Während ganz Europa den Atem anhielt, als Politiker und Massenmedien 1983 eine spektakuläre Hatz auf einundvierzig Seveso-Fässer mit insgesamt nur zweihundert Gramm TCDD inszenierten, erzeugten Industrieanlagen an praktisch allen Standorten der Großchemie seelenruhig weiter unbekannte Mengen von Dioxinen. Rund um die Uhr. Tagein, tagaus. Zweiundfünfzig Wochen im Jahr...

Dioxine, so der Film in immer neuen Bildern und Statements von Fachleuten, entstehen als Nebenprodukte, und zwar: 1. bei industriellen Produktionsverfahren, 2. bei thermischen Prozessen und 3. durch fotochemische Prozesse. Mit anderen Worten: überall, wo sich chlorierte Kohlenwasserstoffe finden, existiert die Gefahr, daß Dioxine entstehen.

In Seveso beispielsweise kam es bei der Herstellung von Hexachlorophen zur Katastrophe. Da bildete sich höchst unerwünscht das furchtbare Nebenprodukt 2-3-7-8-TCDD. Hexachlorophen war damals ein äußerst wirksames, Bakterien tötendes Mittel, das man bei der Produktion von Seifen, Lippenstiften, Babypuder, Deodorants, ja Intimsprays verwendete. Heute tut man das nicht mehr. Indessen: In der Bundesrepublik allein werden jährlich 3,5 Millionen Tonnen chlorierte Kohlenwasserstoffe hergestellt, weltweit jährlich vierzig bis fünfzig

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Millionen Tonnen. Bei Feuereinwirkung, also jeder Art von Bränden oder bei unsachgemäßer Verbrennung in Müllverbrennungsanlagen, werden aus diesen riesigen Mengen nicht nur schon vorhandene Dioxine freigesetzt, sondern es entstehen auch noch neue Dioxinmengen durch chemische Reaktionen verschiedener Stoffe miteinander.

Unsachgemäß bedeutet: bei Temperaturen unter zirka 1100 Grad Celsius. Dioxine sind nämlich sehr widerstandsfähige Stoffe, die unterhalb dieser Temperaturmarke unbeschädigt entweichen. Erst mehr Hitze zerstört sie. Sehr viele Müllverbrennungsanlagen erreichen diese höheren Hitzegrade jedoch nicht.

Ich hätte einen neuen Titel für die Serie, sagte Marvin. Eine perverse Welt.

Ich hätte einen besseren, sagte Valerie Roth. Die Welt ist nur ein Traum der Hölle.

Der Film lief weiter.

Valeries Stimme: Eine amerikanische Studie ergab schon 1980, daß Dioxin bereits bei der unvorstellbar geringen Konzentration von fünf Trillionstel Gewichtsanteilen i n der Nahrung krebserregend ist. Der zitierte Süßwasserfisch weist das fünfzigfache dieses Wertes auf! Einmal abgesehen vom Fisch ist die schon 1983 festgestellte Ubiquität, die Allgegenwart von Dioxinen, nicht eine Gefahr, deren Quellen man schleunigst verstopfen müßte? Kein Wort davon im Report. Um dieser Frage nachzugehen, begaben wir uns ins Bundesumweltamt..

Katja stoppte die Kassette und sagte: Das haben wir noch nicht, da müssen wir noch hin.

Ich habe eine Theorie, sagte Marvin. Schaut mal, jeden Tag erzählen uns die Politiker, daß wir noch nie so lange Zeit Frieden in Europa gehabt haben. Warum? Wegen der Atomwaffen. Wegen der atomaren Abschreckung. Wegen des Gleichgewichts des Schreckens. Und genauso denkt die chemische Industrie. Dort sagen die Bosse: Noch nie ging es uns so gut. Warum? Weil das wichtigste die Chlorverbindungen sind. Wenn wir die nicht hätten, bräche alles zusammen. Wäre alles aus/Frieden und Wohlstand durch Chlorverbindungen! Er sah Katja an. Wann haben wir die Verabredung beim Bundesumweltminister?

Am siebzehnten Oktober.

Dann drehen wir kurz zuvor das Interview mit Braungart in Hamburg über Müllverbrennungsanlagen und fliegen jetzt zu den Vitrans und diesem Sonnenenergieexperten nach Paris.

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H.Fallada Jeder stirbt für sich allein


Der Borkhausen aber steht auf der Straße, starrt ihm nach und überlegt, was er nun tun soll. Am liebsten ginge er zur Gestapo und machte Meldung gegen den Quangel, ein paar Zigaretten fielen dabei schon ab. Aber besser, er tut's nicht. Er ist heute früh zu vorschnell gewesen, er hätte den Quangel sich frei ausquatschen lassen sollen; nach dem Tode des Sohnes war der Mann in der Verfassung dazu. Aber er hat den Quangel falsch eingeschätzt, der läßt sich nicht bluffen. Die meisten Menschen haben heute Angst, eigentlich alle, well sie alle irgendwo irgendwas Verbotenes tun und immer fürchten, jemand weiß davon. Man muß sie nur im richtigen Augenblick überrumpeln, dann hat man sie, und


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sie zahlen. Aber der Quangel ist nicht so, ein Mann mit so "nem scharfen Raubvogelgesicht. Der hat wahrscheinlich vor nichts Angst, und überrumpeln läßt der sich schon gar nicht. Nein, er wird den Mann aufgeben, vielleicht läßt sich in den nächsten Tagen mit der Frau was machen, "ne Frau schmeißt der Tod vom einzigen Jungen noch ganz anders um. Dann fangen so "ne Weiber an zu plappern.

Also die Frau in den nächsten Tagen, und was macht er jetzt? Er muß wirklich der Otti Geld geben, er hat heute früh heimlich das letzte Brot aus dem Küchenspind weggegessen. Aber er hat kein Geld, und woher kriegt er auf die Schnelle was? Seine Frau ist "ne Xanthippe und imstande, ihm das Leben zur Hölle zu machen. Früher strichte sie auf der Schönhauser Allee und konnte manchmal richtig nett und lieb sein. Jetzt hat er fünf Balgen von ihr, das heißt, die meisten sind wohl kaum von ihm, und sie kann schimpfen wie"n Fischweib in der Markthalle. Schlagen tut das Aas auch, zwischen die Kinder, und wenn's ihn trifft, so gibt es eben "ne kleine Klopperei, bei der sie immer das meiste bezieht, aber das macht sie nicht klug.

Nein, er kann nicht ohne Geld zur Otti kommen. Plötzlich fällt ihm die alte Rosenthal ein, die da jetzt ganz allein, ohne allen Schutz im vierten


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Stock Jablonskistraße 55 wohnt. Daß ihm die olle Judin nicht eher eingefallen ist, die ist doch ein lohnenderes Geschäft als der alte Geier, der Quaiigel! Sie ist "ne gutmütige Frau, er weiß es noch von früher, als sie noch ihr Wäschegeschäft hatten, und zuerst wird er es auch auf die sanfte Tour versuchen. Will sie aber nicht, so gibt er ihr einfach einen vor den Deez! Irgendwas wird er schon finden, ein Schmuckstück oder Geld, oder was zu essen, irgendeine Sache, durch die Otti besänftigt wird.

Während Borkhausen so überlegt und sich immer wieder ausmalt, was er wohl finden wird denn die Juden haben noch alles, sie verstecken's bloß vor den Deutschen, denen sie's gestohlen haben, während solcher Gedanken geht Borkhausen immer schneller in die Jablonskistraße zurück. Als er unten im Treppenhaus angekommen ist, lauscht er lange hinauf. Er möchte doch nicht gerne, daß ihn jemand hier im Vorderhaus sähe, er selbst wohnt im Hinterhaus, was sich Gartenhaus schimft, im Souterrain, hat also zu gut Deutsch eine Kellerwohnung. Ihn stört das nicht, nur wegen der Leute ist es ihm manchmal peinlich. Es rührt sich nichts im Treppenhaus, und Borkhausen fängt an, eilig, aber leise die Stufen hochzusteigen. Aus der Wohnung der Persickes schallt


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wüster Lärm, Gejohle und Gelächter, die feiern schon mal wieder. An so "ne wie die Persickes müßte er mal Anschluß bekommen, die haben die richtigen Verbindungen, dann ginge es auch mit ihm varan. Aber solche sehen einen Gelegenheitsspitzel, wie er ist, natürlich gar nicht an; besonders die Jungen in der SS und der Baidur sind unglaublich hochnäsig. Der Alte ist schon besser, schenkt ihm manchmal fünf Mark, wenn er angesoffn ist...

In der Wohnung der Quangels ist alles still, und, eineTreppe höher, bei der Rosenthal, hört er auch keinen Laut, so lange er auch das Ohr gegen die Tür legt. So klingelt er rasch und geschäftsmäßig, wie es etwa der Briefbote täte, der es eilig hat, weiterzukommen. Aber nichts rührt sich, und nach ein, zwei Minuten Warten entschließt sich Borkhausen zu einem zweiten und später zu einem dritten Klingeln. Dazwischen lauscht er, hört nichts, flüstert aber doch durch das Schlüsselloch: Frau Rosenthal, machen Sie doch auf! Ich bring Ihnen Nachricht von Ihrem Mann! Schnell, ehe mich einer sieht! Frau Rosenthal, ich hör Sie doch, machen Sie schon auf! Dazwischen klingelt er immer wieder, aber alles ganz erfolglos. Schließlich packt ihn die Wut. Er kann doch nicht auch hier wieder ganz erfolglos.abziehen, mit der Otti gibt es einen I leidenstunk. Die olle


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Jüdsche soll rausgeben, was sie ihm gestohlen hat! Er klingelt rasend, und dazwischen schreit er am Schlüsselloch: Mach uf?, du olle Judensau, oder ick lackier dir die Fresse, daß du nich mehr aus den Augen kieken kannst! Ich bringe dich heute noch ins KZ, wenn du nicht aufmachst, verdammte Jüdsche! Wenn er jetzt bloß Benzin bei sich hätte, er steckte dem Aas auf die Stelle die Türe an! Aber plötzlich wird Borkhausen ganz still. Er hat tiefer unten eine Wohnungstür gehen gehört, er drückt sich eng an die Wand. Keiner darf ihn hier sehen. Natürlich wollen die auf die Straße, er muß jetzt bloß stille sein. Doch der Schritt geht treppauf, unaufhaltsam, wenn auch langsam und stolpernd. Es ist einer von den Persickes, und ein besoffener Persicke, das ist grade, was denn Borkhausen jetzt gefehlt hat. Natürlich will der au(den Boden, aber der Boden ist durch eine verschlossene Eisentür gesichert, da gibt's kein Versteck. Nun ist nur noch die einzige Hoffnung, daß der Betrunkene, ohne ihn zu merken, an ihm vorübergeht, wenn's der alte Persicke ist, kann's passieren. Aber es ist nicht der alte Persicke, es ist der ekelhafte Bengel, der Bruno oder Baidur, der schlimmste von der ganzen Bande! Ewig läuft er in seiner HJ-Führer-Uniform herum und erwartet, daß man ihn


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zuerst grüßt, obwohl er doch ein reiner Garnichts ist. Langsam kommt der Baidur die letzten Treppenstufen hoch, er hält sich am Treppengeländer fest, so angetrunken wie er ist. Er hat trotz seiner glasigen Augen den Borkhausen da an der Wand längst gesehen, er spricht ihn aber erst an, als er direkt vor ihm steht: Was schnüffelst du denn hier vorne im Hause herum? Ich will das nicht haben, mach, daß du in den Keller zu deiner Nutte kommst! Marsch, hau ab!


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Es war einer jener sonnigen Tage, mit denen Italien einen so häufig verwöhnt dazu noch am Frühlingsanfang.


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Der Maler wachte früh auf und war schon vor Sonnenaufgang am Meer. Einige Tage lang hatte ihn der Gedanke daran gequält, daß er endlich den Pinsel in die Hand nehmen und seinen jahrelangen Traum umsetzen, das Gemälde schaffen mußte. Nein..., es sollte kein Gemälde, sondern etwas Größeres, Großartigeres und Dimensionsreicheres sein, es sollte ein Panoramagemälde werden. Ohne das Gemälde noch im Ganzen vor sich zu sehen, fühlte Alexander mit seiner ganzen Intuition, mit seinem ganzen Wesen, daß er endlich reif war, daß er endlich wußte, was es sein sollte: Die Ankunft des Messias. Die Ankunft! Die Ankunft des Messias! Gott kam zu den Menschen! Die Ankunft muß real und nicht real, greifbar und nicht spürbar sein! Sie muß erschüttern und zugleich den Gedanken an die Ruhe, an das Schöne, an das Reine aufkommen lassen! Ja! Jetzt weiß ich es, dachte der Maler, ich weiß: Christus im Vordergrund, in der Ferne die Menschen... Eine Menge ganz verschiedener Menschen -junge und alte, starke und schwache, Krüppel, Blinde, Kinder..., und natürlich muß unter ihnen Judas seinals Symbol des Verrats, als Symbol der Treubrüchigkeit und des Neids. Als Symbol des Lasters. Ja, auf diesem Gemälde müssen Wohltat und Laster sein! Sie müssen die Quintessenz des Gemäldes sein!

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Ich muß unverzüglich zu malen beginnen, ohne es aufzuschieben. Womit soll ich aber beginnen? Was heißt, womit?.. Nur mit Christus! Man muß zuerst Skizzen machen, Hunderte, ja Tausende Skizzen, und erst dann das Ganze. Das wird mehrere Jahre meines Lebens und Schaffens in Anspruch nehmen, dachte der Maler, während er über Capri wandelte und in den wolkenlosen lasurfarbenen Himmel blickte.

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Wie sollte er aber sein? So, wie die Maler ihn schon seit vielen Jahren darstellen, zugleich aber auch anders. Er mußte real und nicht real, menschlich und übermenschlich, greifbar und nicht spürbar sein. Von ihm mußte Wohltat, Hoffnung, Glaube und Liebe ausgehen! Und jetzt an die Arbeit. Als erstes mußte er den Prototyp für den künftigen Christus finden! Was für wunderbare Gesichter haben die Italiener! Christus war aber kein Italiener. Es ist unwichtig, wer er war, die Hauptsache ist, wer er wurde! Er wurde zum Gott. Alexander kehrte ins Hotel zurück, packte rasch seine Sachen ein, nahm die Staffelei und fuhr nach Venedig. Nur in Venedig, diesem Tempel der Kultur, konnte, man wirklich an die Arbeit gehen. Er mietete eine recht große Wohnung oder, genauer gesagt, den Dachboden in einem alten


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venezianischen Haus, legte Farben und Pinsel zurecht und trennte den größten Teil des Raums für die Arbeit ab, denn er nahm sich vor, bevor er seine Idee voll umsetzte, keinen Menschen auf der Welt, ja nicht einmal die engsten Freunde sein Gemälde sehen zu lassen. Er ging auf die Straße. Er sah sich die Menschen, ihren Gang und ihre Bewegungen aufmerksam an. Wo er auch war -im Cafe, in Parks oder bei Freunden -überall suchte er nur das Gesicht Christus. So vergingen vielleicht einige Wochen. Eines Tages, als er in seinem bescheidenen Cafe, wie er es nannte, saß, sah der Maler Ihn\ Vor ihm saß Er!.. Er, ein anderer kam nicht in Frage! Mein Gott, welch ein Gesicht -von edler Begeisterung durchdrungen und rein! Offener Blick! Und die Augen! Insbesondere die Augen... Wieviel Sehnsucht und Unschuld lagen in ihnen. Endlich, endlich das, was ich brauche, dachte der Maler. Der junge Mann saß am Tisch und schrieb etwas in Eile. Vor ihm standen ein Tintenfaß, eine Tasse Kaffee und ein Glas Wasser. Seine Bewegungen waren weich und gleichsam l a k o n i s h. Er strahlte in der Tat Ruhe, Zurückhaltung und... Geheimnis aus.

Plötzlich drang eine Gruppe junger Menschen-lachend ins Cafe ein, die, als sie unseren jungen Mann


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erblickt hatten, ihn mit den Worten umstellten: Rafael, du bist wieder verschwunden, wir suchen überall nach dir. Zeig doch, was du eben geschrieben hast, lies es uns vor. Bitte!

Jetzt noch nicht, sagte Rafael mit einem Lächeln, später..., ich bin noch nicht fertig. Nehmt es mir nicht übel, meine Freunde, jetzt kann ich aber nicht, mir ist ein interessanter Gedanke in den Kopf gekommen, und ich muß ihn umsetzen. Wir sehen uns wie immer am Abend wieder. Die jungen Menschen gingen widerwillig. Mein künftiger Christus ist also ein Dichter! Daher also diese edle Begeisterung! Der Maler sah den jungen Dichter schweigend an und malte ihn schon in Gedanken.

Da fuhr es ihm durch den Kopf: Was aber, wenn unser junger Dichter mir nicht Modell stehen will? Das wäre eine Katastrophe. Der Maler faßte Mut, paßte den Augenblick ab, als der Dichter die Feder weglegte, und trat auf ihn zu. Er bat um Entschuldigung, stellte sich vor und fragte, ob er mit ihm sprechen könne, ob er nicht störe. Nein. Jetzt nicht mehr, antwortete der Dichter. Ich bin fertig!

Die unerwartete Bekanntschaft wurde rasch enger. Alexander erfuhr, daß Rafael Medizin studierte, daß aber Poesie, Literatur, Musik und Bildhauer-


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kunst ihn mehr interessierten. Seine Eltern lebten in einem kleinen Dorf im Süden Italiens, arbeiteten aber viel, damit er, ihr einziger Sohn, Arzt werden konnte. Alexander erzählte seinerseits, daß er aus Petersburg komme, die Kunstakademie absolviert habe und voller schöpferischer Ideen sei. Unerwartet und ohne es selbst zu bemerken, erzählte er von seinem künftigen Gemälde und schlug Rafael vor, ihm Modell zu stehen. Der Dichter war sehr darüber erstaunt, daß er der Prototyp Christus sein konnte, Gottes, der in seinem Herzen und in seinen Gedanken einen besonderen Platz einnahm.

Selbstverständlich! Mit Vergnügen! Das ist doch herrlich! Sie verabredeten sich für den nächsten Tag. Zehn Tage verflogen wie im Märchen! Sie hatten so viel gemeinsam! Sie verstanden einander bei der ersten Andeutung! Es war ein harmonischer Bund zweier Menschen eines Dichters und eines Malers. Dutzende Skizzen, Hunderte Zeichnungen. Endlich! Endlich habe ich Christus, freute sich Alexander, mit ihm habe ich auch einen Freund gewonnen. Jetzt kann man sich auch mit den anderen Gestalten befassen."

Als der Malar einige Zeit danach am Kopf eines Knaben arbeitete, hörte er jemand an die Wohnungstur klopfen. Seine Werkstatt war stets


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abgeschlossen, wenn er arbeitete, darum stand er widerwillig auf und ging zur Tür. Im Türrahmen stand Rafael, der ganz blaß im Gesicht war.

Ich muß mich verabschieden... Ich weiß nicht, wann wir uns wiedersehen, zu Hause ist etwas passiert, ich muß sofort fahren. Leb wohl, mein Freund! Ich glaube an deinen Stern, an unsere Freundschaft und an unser einstiges Wiedersehen! Leb wohl! Mit diesen Worten rannte er auf die Straße, und ihre Wege kreuzten sich nie wieder.

Was geschah mit dem jungen Dichter?.. Wohin verschlug ihn sein Schicksal? All das war für den Maler ein Geheimnis. Die Zeit verging. Um seine grandiose Idee umzusetzen, brauchte Alexander nicht fünf oder zehn Jahre, wie er gedacht hatte, sondern ganze dreißig. Er bereiste ganz Italien, besuchte Jerusalem, machte Hunderte, ja Tausende Skizzen und Zeichnungen, die später als selbständige Kunstwerke angesehen wurden. Die Arbeit war fast zu Ende. Die riesengroße, an die zehn Meter lange und über drei Meter hohe Leinwand befand sich immer noch auf dem Dachboden eines alten venezianischen Hauses. Niemand, keine Mcnschenseele hatte dieses riesige Gemälde bis dahin gesehen! Im g r o ß n und ganzen war


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das Gemälde fertig, es blieb aber eine leere Stelle. Diese Stelle gehörte Judas.

Damals, dreißig Jahre zuvor, glaubte der Maler, den Prototyp Christus, eine Verkörperung der Reinheit, der Hoffnung, des Glaubens und der Liebe, nicht finden zu können. Jetzt aber ließ die Gestalt JUDAS 'ihm keine Ruhe, denn seine Idee hatte sich in den vergangenen dreißig Jahren etwas verändert: Christus war vom Vordergrund in den Hintergrund gerückt. Das Volk näherte sich dem Betrachter. Es war doch die Ankunft des Messias. Sie kann sich doch nicht direkt vor uns, ganz in der Nähe abspielen. Judas muß im Vordergrund sein. Damit man die ganze Lüge, den ganzen Verrat, Haß und Neid sehen konnte. Das Laster! Ja, das Laster, in seiner ganzen Nacktheit. Aber... wie sollte man im Laster Eigenschaften wie die Reue um die begangene Tat widerspiegeln? Wie sollte man gleichzeitig Laster und innere Leere, Einsamkeit darstellen?.. Der Maler meinte, daß Judas vom Volk getrennt sein sollte. Allein! Wie ein gehetzter Verbrecher!.. Allein in seinem Eremitenleben und in seiner Unnötigkeit. Eremit\ Aber ein Eremit, der zugleich ein Verräter ist! Ein Einsiedler, der ein Neider ist! Ein Einsiedler, der ein Verbrecher ist... All das muß gerade Judas symbolisieren!


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Aber wo, wo konnte man ein solches Gesicht finden?.. Schon seit dreißig Jahren suchte er Tag für Tag, betrachtete aufmerksam die Gesichter von Fußgängern und Bettlern..., es war aber alles nicht das, was er wollte... Eines Abends, als der Maler durch eine venezianische Gasse ging, sah er einen Bettler, der es sich an einem Springbrunnen bequem gemacht hatte und aus einer Riesenflasche Wein trank. Aus Gewohnheit warf er ihm einige Lire zu und ging, ohne anzuhalten, weiter, als er den Bettler schimpfen und sagen hörte: Was wirfst du mir zu, ich bin kein Bettler, nimm dein dreckiges Kleingeld zurück! Alexander drehte sich um. Und o Wunder! Vor ihm war Judas. Ja, Judas! Gerade so, wie er sich ihn geträumt hatte und ohne den er sein Gemälde nicht abschließen konnte. Vor ihm war das LASTER in seiner ganzen Nacktheit. Zugleich war in diesem Gesicht auch etwas anderes, ein unausgesprochener Schmerz, Kränkung.,, ein verlorenes Leben. Verzeihung, ich wollte Sie nicht kränken. Ich habe diese Münzen aus Gewohnheit hingeworfen, weil hier schon immer Bettler waren. Ich sehe Sie wirklich zum ersten Mal..., und wenn Sie nichts dagegen haben, so gibt es hier gegenüber ein kleines Cafe, wo wir zusammen zu abend essen könnten."


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Danke, ich habe keinen Hunger, aber... ich war schon seit langem nicht mehr in der Gesellschaft eines kultivierten Menschen, wie Sie es sind... darum nehme ich Ihr Angebot gern an. Jedes seiner Worte ließ spüren, daß er früher eine überdurchschnittlich begabte Persönlichkeit gewesen war, die das Leben offensichtlich in eine erbärmliche Karikatur verwandelt hatte. Sie betraten das Cafe. Als er mit dem Einsiedler am Tisch saß, dachte der Maler plötzlich: '"'Das Leben ist überhaupt paradox. Nun sitze ich hier wie vor dreißig Jahren, und wie ich damals vor dreißig Jahren Rafael hoffnungsvoll gebeten habe, mir für Christus Modell zu stehen, so muß ich jetzt das gleiche tun und diesen zerlumpten und lange nicht mehr gewaschenen Eremiten um einen Gefallen bitten. Wie soll ich anfangen, damit er nicht denkt, daß auch das ein Almosen sei, damit er keine Angst bekommt?! Wie er vor dreißig Jahren, damals noch ein junger Mensch, hingerissen Rafael von seiner grandiosen Idee erzählt hatte, so sprach er auch jetzt, wenn auch ohne die frühere Begeisterung, aber fast mit demselben jugendlichen Eifer zu dem Unbekannten über sein Gemälde. Alexander sprach über alles von den Figuren des Gemäldes, von seinen Treffen mit Rafael und davon, daß das


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Gemälde fast fertig sei..., daß nur

noch eine Figur fehle und daß er

sie dringend brauche... Mit keinem

Wort erwähnte er, daß diese Figur

Judas sein sollte. Als Maler sehe

er in seinem neuen Bekannten,

sagte Alexander, den Prototyp

dieser Figur und fragte, ob sein

neuer Bekannter ihm vielleicht

einige Tage Modell stehen könnte.

Worauf der Eremit antwortete:

Nein!

Warum!

Nein! Das ist unmöglich!

Ich werde aber gut bezahlen und

mich bemühen, ihnen nicht allzu viel

Zeit zu rauben.

Nein!

Aber warum?

Hat jemand von Ihren Bekannten

dieses Gemälde gesehen? fragte

er.

Nein, sagte der Maler, ich habe,

schon als mir die Idee kam, mir

selbst geschworen, daß die

Menschen mein Gemälde erst

sehen, wenn es ganz fertig ist.

Noch niemand hat es gesehen.

Niemand!

Gut!" sagte der Eremit. Ich

werde Ihnen Modell stehen,

allerdings unter einer Bedingung:

Ich werde das Gemälde Ihres

Lebens als erster sehen.

Eigenartig, dachte der Maler,

wenn das aber seine Bedingung

ist, warum soll man sie nicht

annehmen? Was kann dieser arme

Eremit schon sagen?

Gut, morgen werde ich es Ihnen


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zeigen, sagte er und gab ihm seine Adresse.

Am nächsten morgen klopfte der Eremit pünktlich an die Wohnungstür. Der Maler machte auf. Der Eremit trat ein und fragte leise: Wo?

Das Gemälde nahm eine große Wandfläche ein und war mit Leinwand verhängt. Langsam wie bei einem heiligen Ritus zog der Maler den Vorhang zur Seite... Zum ersten Mal in den dreißig Jahren sollten nun fremde Augen seine Schöpfung sehen... Wie wird der Eindruck sein?... Welches werden die ersten Worte danach sein? Wie die Reaktion? Das Gemälde zeigte sich nun in seiner ganzen Größe. Wie verzaubert stand der Eremit vor dem Gemälde, stand lange ohne eine einzige Bewegung... Dann trat er näher und betrachtete aufmerksam die Gesichter. Er trat mal von der einen, mal von der anderen Seite an das Gemälde heran, stellte sich schließlich vor Christus und sah ihn sich lange an. Plötzlich wandte er sich um, und Alexander sah ein mit Tränen überströmtes Gesicht. Der Eremit weinte schweigend, setzte sich dann auf einen Hocker und sagte leise: Ich sehe hier Judas nicht. Soll ich es sein? Stimmt das? Alexander neigte schweigend den Kopf und sagte: Nehmen Sie es mir bitte nicht übel!


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Nein, natürlich nicht, nein... dreißig Jahre..., viel Zeit! sagte der Eremit dumpf. Ja...Ich war auch ernst jung und rein... Ich war Dichter..., ich heiße Rafael... ich war ER, sagte er und zeigte auf Christus. Und nun wollen Sie, mein Freund, daß ich Ihnen für Judas Modell stehe?..


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. Zwetajewa MEIN PUSCHKIN

(.Wunderlicher Gedanke einen Giganten zwischen Kinder zu stellen, schwarzen Giganten mitten unter weiße Kinder. Wunderlicher fJeHnnke, weiße Kinder, geworfen in schwarze


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Blutsbrüderschaft. Wer unterm Puschkindenkmal aufwuchs, wird nie der weißen Rasse den Vorzug geben, ich für mein Teil ziehe entschieden die schwarze vor. Das Puschkindenkmal ist, den Ereignissen vorauseilendein Mal gegen den Rassismus, für die Gleichheit aller Rassen, für die Priorität jeder Rasse sofern sie das Genie hervorbringt. Ein Denkmal fürs schwarze Blut, ins weiße sich ergießend, Mal der Blutvereinigung, so wie Flüsse sich vereinen, lebendiges Denkmal des Blutzusammenstroms und der Seelenverschmelzung fernster und scheinbar unverschmelzbarer Völker. Das Puschkindenkmal ein lebendiger Beweis für das Niedrige. Lebenswidrige der Rassentheorie, lebendiger Beweis ihres Gegenteils. Die Tatsache Puschkin stürzt die Theorie. Den Rassismus, bevor er noch aufkam, widerlegte Puschkin, als er zur Welt kam. Nein-früher: an jenem Tag, als der Sohn des Mohren Peters des Großen, Ossip Abramowitsch Hannibal, mit Maria Alexejewna Puschkina die Ehe schloß. Nein noch früher: an jenem unbenannten Tag, zu jener unbenannten Stunde, als Zar Peters schwarzer, heller, fröhlich-rabiater Blick an dem abessinischen Knaben Ibrahim haftenblieb. Dieser Blick war für Puschkin das Geheiß: Werde! Und so ragte auch über den Kindern, die in Petersburg


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unter Falconets Ehernem Reiter aufwuchsen, ein Denkmal gegen den Rassenwahn-für das Genie.

2. Wunderlicher Gedanke, des
Ibrahims Urenkel schwarz zu
machen. Ihn aus Eisen zu formen
wie die Natur seinen Ahnherrn aus
schwarzem Fleisch. Dei schwarze
Puschkin ist Symbol. Wunderlicher
Gedanke, mit dem schwarzen
Bildwerk ein Stück abessinischen
Himmels über Moskau zu spannen.
Denn unverkennbar erhebt sich das
Puschkindenkmal unterm Himmel
meines Afrika. Wundersamer
Gedanke- durch die Neigung des
Hauptes, das vorgestellte Bein, den
in der Gebärde der Verneigung
zurückgenommenen Hut der Stadt
Moskau zu Füßen des Dichters ein
Meer zu breiten. Denn Puschkin
steht nicht überm Kies des
Moskauer Boulevards, sondern
über dem Schwarzen Meer. Über
einem Meer freier Elementar
kräfte- Puschkin, die freie
Elementarkraft.

3. Finsterer Gedanke einen
Giganten in Ketten zu schmieden.
Denn umkettet steht Puschkin.
Umzäunt (abgesichert?) ist sein
Piedestal von Quadern und Ketten.
Quader"Kette, QuaderKette,
Quader Kette, ziehen einen
Kreis. Den Kreis von Nikolais
Armen, die den Dichter nie
umschlangen und doch nie aus ihrer
Umschlingung ließen. Der Kreis,


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Empire I
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der mit dem Wort begann:Du bist nicht mehr der alte, Puschkin mein Puschkin bist du nun und den erst d'Anthes' Kugel sprengte. Auf diesen Ketten schaukelte ich, schaukelten alle Moskauer Kinder, die von gestern, heut und morgen nicht ahnend, was es mit diesen Schaukeln auf sich hatte. Sie waren sehr niedrig, sehr hart, sehr eisern. Empire? Ja, Empire. Das Empire Imperium Nikolais I. Und dennoch ein herrliches Denkmal, auch mit seinen Ketten und Quadern. Ein Denkmal der Freiheit und des Unfreiseins, der Elementargewalt und des Fatums, Denkmal letztlichen Triumphs des Genies: Puschkin, aus Ketten erstanden. Wir sagen das, können es sagen, heute, da die menschlich niedrige und poetisch talentlose Fälschung Shukowskis: Und lange wird das Volk die Liebe mir bewahren

Dafür, daß meine Leier edler fühlen hieß,

Und meine Verse ihre Schönheit nützlich wahren... mit der ganz unpuschkinschen, antipuschkinschen Einschleppung des Begriffs Nutzen in die Poesie (eine F&au





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: 2018-10-17; !; : 164 |


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