Worin liegt der Unterschied zwischen sozialer und emotionaler Kompetenz?
Grundsätzlich sind diese Kompetenzen eng mit einander verbunden und bedingen sich gegenseitig. Als sozial kompetent bezeichnen wir Jugendliche, die von eigenen Problemlösefähigkeiten überzeugt sind; die dazu in der Lage sind, Beziehungen wie Freundschaften überhaupt aufzubauen. Dafür muss man sich sozial verhalten.
Emotional kompetente Jugendliche merken, wenn ein Kumpel oder ein Freund ärgerlich oder traurig ist – und sie wissen, was zu tun ist, wenn er getröstet werden will. Das muss gelernt werden. Jugendliche entwickeln auf diesem Felde eine Art Wörterbuch der Emotionen. Solche Fähigkeiten entfalten sie in Beziehungen zu Gleichaltrigen am besten.
Sollten Pädagogen Einfluss auf die Beziehungen von Teenagern nehmen?
Der lange Schultag darf nicht zu sehr von Erwachsenen verplant und durchorganisiert werden. Jugendliche brauchen Freiräume, in denen sie etwas gemeinsam gestalten oder etwas miteinander aushandeln können.
Ganztagsschüler haben bessere Strategien
Sind Ganztagsschulen den Halbtagsschulen nun unterlegen oder überlegen?
Tendenziell entwickelt sich die Ganztagsschule zu einem guten sozialen Übungsfeld. Bei der Fähigkeit, soziale Konflikte konstruktiv zu lösen, haben Ganztagsschüler die besseren Strategien. Sie bewältigen ihre zwischenmenschlichen Probleme mit mehr Humor – und sie werden von ihren Klassenkameraden als weniger aggressiv wahrgenommen.
Zudem scheinen Schüler an Ganztagsschulen etwas besser mit eigenen und fremden Emotionen zurechtzukommen. Positiv ist dabei aufgefallen, dass Jungen an Ganztagsschulen im Laufe des Schuljahres zu den Mädchen, die sonst in der Regel weiter entwickelt sind, stärker aufschließen als an Halbtagsschulen, wo die Kluft eher wächst.
Karte 30. Leseverstehen: Aufgabe (1) Globales Lesen (1066 Wörter; 6716 Zeichen) 7 Min.
Unterricht in den eigenen vier Wänden
Hausunterricht ist in Deutschland verboten. Doch immer mehr Eltern stellen das Bildungsmonopol des Staates in Frage und möchten ihre Kinder selbst unterrichten. Auch die deutsche Wissenschaft befasst sich nun mit dem lange unbeachteten Thema "homeschooling".
In den Blick der Öffentlichkeit gerät das Phänomen des Heimunterrichts – oder homeschooling – hierzulande immer dann, wenn der Staat mit drastischen Mittel gegen Eltern vorgeht, die ihre Kinder nicht in eine staatliche oder staatlich anerkannte Schule schicken, sondern sie selbst zu Hause unterrichten. Wenn Kinder im Grundschulalter von der Polizei abgeholt werden, um sie dem öffentlichen Unterricht zu überstellen, sind meistens auch die Medien zur Stelle. Dann fällt ein Schlaglicht auf jene Querdenker, die versuchen, ihre Elternrechte gegen den Staat durchzusetzen. Und sie haben keine guten Karten. In Deutschland herrscht Schulpflicht. Das heißt, Kinder müssen mindestens neun Jahre lang zur Schule gehen; ihre Eltern sind verpflichtet, dafür zu sorgen, dass dies geschieht. Wer hingegen seine Kinder vom Schulunterricht fernhält, muss mit drastischen Strafen rechnen, die von Bußgeldern bis hin zum Entzug des Sorgerechts reichen.
Tatsächlich ist die Zahl von Kindern, die zuhause von ihren Eltern unterrichtet werden, recht gering. Offizielle Angaben gibt es zwar nicht, Schätzungen belaufen sich aber auf 1.000 bis 3.000 Kinder bundesweit. Wissenschaftler wie der Pädagogikprofessor Volker Ladenthin aus Bonn oder der Marburger Soziologe Thomas Spiegler, die sich nun erstmals auch wissenschaftlich mit dem Thema homeschooling in Deutschland auseinandergesetzt haben, gehen jedoch davon aus, dass die Zahl der Eltern, die ihre Kinder selbst unterrichten möchten, zunehmen wird.
Gründe, warum Eltern ihre Kinder zuhause unterrichten
Eine Erklärung dafür liefert unter anderem die seit einigen Jahren immer heftiger geführte Debatte über die Qualität der staatlichen Schulen in Deutschland. Herrschte lange Zeit, so formuliert es Ralph Fischer in dem gemeinsam mit Volker Ladenthin herausgegebenen Buch Homeschooling – Tradition und Perspektive, ein stilles Einvernehmen zwischen Eltern und Staat, dass Erziehung am besten und effektivsten durch den Staat gewährleistet sei, so scheint dieser Vertrauensbonus seitens der Eltern immer weiter zu schwinden. Angesichts des unterdurchschnittlichen Abschneidens der deutschen Schüler in internationalen Vergleichstests, maroder Schulgebäude oder zunehmender Gewalt an Schulen werden immer häufiger Zweifel laut, ob ein staatliches Bildungsmonopol tatsächlich der einzig gangbare Weg ist, allen Kindern die Bildung angedeihen zu lassen, die sie verdienen. Viele Eltern wollen sich mit den misslichen Situationen an Deutschlands (öffentlichen) Schulen nicht mehr zufrieden geben, was sich im Übrigen auch daran zeigt, dass Deutschlands Privatschulen längst nicht alle Schüler aufnehmen können, die bei ihnen angemeldet werden sollen.
Eltern, die ihre Kinder zuhause unterrichten, gehören in der Regel also nicht einer Gruppe an, die ihre Kinder vernachlässigt oder der es gleichgültig wäre, wie deren Bildungsweg verläuft. Das Gegenteil, so die Untersuchungen, ist der Fall. Eltern, die sich für Heimunterricht entscheiden, sind zumeist überdurchschnittlich gebildet und um das Wohlergehen ihrer Kinder besorgt. Volker Ladenthin und auch Thomas Spiegler machen drei unterschiedliche Gruppierungen von Eltern aus, die der homeschooling-Bewegung in Deutschland zuzurechnen sind. Da sind zum einen jene Eltern, die stark bildungsorientiert sind und das Gefühl haben, dass die Schulen nicht mehr jenes Wissen vermitteln, das sie an ihre Kinder weitergegeben möchten, etwa, weil aufgrund von Lehrermangel zu viel Unterricht ausfällt. Eine andere Gruppe von Eltern argumentiert stärker erziehungsorientiert: Sie möchte, dass ihre Kinder in einer lebenswerten Umgebung aufwachsen, begleitet von Erwachsenen, die sie liebevoll anleiten und unterstützen, statt sie, wie das im Massenbetrieb Schule der Fall sei, "kalt zu unterrichten", erklärt Ladenthin. Die dritte Gruppierung schließlich, der in Deutschland zumeist stark im christlichen Glauben verwurzelte Familien angehören, nehmen ihre Kinder aus den staatlichen Schulen heraus, weil sie mit den Inhalten, die dort vermittelt werden, nicht einverstanden sind. Ihre Bedenken richten sich in erster Linie gegen eine (vermeintlich) atheistische Grundhaltung innerhalb der Schulen sowie Inhalte im Geschichts- und Biologie-, vornehmlich im Sexualkundeunterricht.