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Ulla dreht sich um und sieht Thesi vor dem Bild.




Meine Eltern, erklärt sie.

Thesi denkt angestrengt nach, um Ulla etwas Nettes über die Fotografie zu sagen.

Ich bin vom Land, fügt Ulla hinzu und hält in der ausgestreckten Hand ein gespenstisches weißes Etwas. Es stellt sich heraus, dass Ulla über ihre Kleider weiße Überzüge hängt, damit die Motten nicht dazu können oder damit sie nicht zerdrückt werden oder weiß Gott, warum.

Das mondäne Privatleben der Kopenhagener hat etwas verteufelt Spießbürgerliches, weiße Überzüge und Mottenpulver beschützen die Unanständigkeit. Es kommt Thesi wahnsinnig komisch vor, dass die Tochter dieser ehrsamen Leute auf der Fotografie ihr das unanständigste Kleid borgen wird, das sie jemals gesehen hat.

Also ziehen Sie sich aus und schlüpfen Sie hinein, verlangt Ulla.

Thesi steht in der kleinen seidenen Kombination da. Auch die Kombination, sagt Ulla.

Thesi zieht sich gehorsam aus. Höschen können Sie anlassen, lacht Ulla, so dekolletiert ist es denn doch nicht! Thesi nimmt das Kleid. Schwarze, sehr schwere Seide. Ein tiefer Ausschnitt. Das wird rückwärts sein, überlegt Thesi, wahrscheinlich tiefes Rückendekollete.

Verkehrt! schreit Ulla.

 

56. Thesi schlüpft wieder aus dem Kleid und zieht es andersherum an ( -). Der tiefe Ausschnitt ist vorn ( ). Aufmerksam schaut sie sich im großen Spiegel an ( ). Ein teuflisches Kleid ( ). Glänzende schwarze Seide, rückwärts ganz hoch geschlossen, vorn ein schmaler, tiefer schrecklich tiefer Ausschnitt ( , , , ). Lange Ärmel ( ; der Ärmel).

Es ist Ihnen zu weit, Sie sind so mager, ich werde es enger machen ( , , ) , sagt Ulla und zieht mit einem geschickten Griff das Kleid an den Seiten zusammen ( ). Das Raffinierte an dem Kleid ist es ist rückwärts ganz geschlossen, kein bissel Rücken sieht man, und vorn ( , : , ...; bissel /.-./ = bisschen) psychoanalysiert Thesi das Kleid ( ). Ein Pariser Modell, der spitze tiefe Ausschnitt vorn soll ahnen lassen ( , )..., sagt Ulla unwillkürlich im geschäftlichen Ton ( ; der Ton). So redet sie Kundinnen ein Kleid ein ( // ; die Kundin; einreden , ).

Aber gehen Sie, was soll man denn ahnen, man sieht ja ( , , ) , sagt Thesi. Und mit plötzlichem Entschluss ( : ; der Entschluss): Verzeihen Sie, Ulla, aber so kann ich nicht gehen, nein ich trau' mich nicht (, , , )! Ich weiß ja nicht, wohin Sie mit dem Kleid wollen, bei Hof können Sie damit nicht erscheinen (, , , ; der Hof), murmelt Ulla und steckt an den Seiten das Kleid ab, damit es noch straffer sitzt ( , ; straff , ). So jetzt schlüpfen Sie 'raus, ich hefte das Kleid, damit es sitzt ( , , // ; heften ; ).

 

56. Thesi schlüpft wieder aus dem Kleid und zieht es andersherum an. Der tiefe Ausschnitt ist vorn. Aufmerksam schaut sie sich im großen Spiegel an. Ein teuflisches Kleid. Glänzende schwarze Seide, rückwärts ganz hoch geschlossen, vorn ein schmaler, tiefer schrecklich tiefer Ausschnitt. Lange Ärmel.

Es ist Ihnen zu weit, Sie sind so mager, ich werde es enger machen , sagt Ulla und zieht mit einem geschickten Griff das Kleid an den Seiten zusammen. Das Raffinierte an dem Kleid ist es ist rückwärts ganz geschlossen, kein bissel Rücken sieht man, und vorn psychoanalysiert Thesi das Kleid. Ein Pariser Modell, der spitze tiefe Ausschnitt vorn soll ahnen lassen..., sagt Ulla unwillkürlich im geschäftlichen Ton. So redet sie Kundinnen ein Kleid ein. Aber gehen Sie, was soll man denn ahnen, man sieht ja , sagt Thesi. Und mit plötzlichem Entschluss: Verzeihen Sie, Ulla, aber so kann ich nicht gehen, nein ich trau' mich nicht!

Ich weiß ja nicht, wohin Sie mit dem Kleid wollen, bei Hof können Sie damit nicht erscheinen, murmelt Ulla und steckt an den Seiten das Kleid ab, damit es noch straffer sitzt. So jetzt schlüpfen Sie 'raus, ich hefte das Kleid, damit es sitzt.

 

57. Thesi schält sich aus dem Kleid und sieht dann Ulla zu, die mit ein paar Stichen das Kleid enger macht ( , : ; der Stich). Viel essen dürfen Sie nicht, sonst platzt es, ich mache es richtig eng, sonst geht die Linie verloren ( , , , ). Thesi nickt gehorsam ( ). Wenn ich in dem Kleid daherkomme, gibt mir sowieso kein Mensch etwas zu essen ( , ). Gehen Sie zu einer großen Gesellschaft ( - )? fragt Ulla, ohne von der Arbeit aufzusehen ( , ).

Ich glaube schon ( , ). Es werden viele Leute dort sein ( ). Aber ich bin überhaupt nicht eingeladen ( ). Ich komme sozusagen als Überraschung ( , , ; die Überraschung; überraschen , ), sagt Thesi.

Sie schaut nachdenklich auf die Fotografie von Ullas braven, stocksteifen Eltern, und ihr Plan kommt ihr absurd vor ( , , , ; stocksteif , ; steif , ). Dann sieht sie Ulla an Ulla im lichtblauen Kleid, rote Blumen am Ausschnitt, klappernde Armbänder , es ist nicht mehr absurd, es ist ganz einfach, es wird ein Riesenspaß ( - , , , , , ; klappern das Armband; der Riesenspaß).

Morgen Abend schaue ich mir die Villa von Sven Poulsen an ( ), sagt Thesi wie nebenbei ( ).

Ulla beißt den Faden ab, das Kleid ist fertig, mit einem Ruck wendet sie sich zu Thesi ( , , ; der Faden; der Ruck , ): Sagen Sie Sie waren doch einmal mit Sven verheiratet, natürlich, und ( - , , ...) .

Ulla stößt einen langen diskreten Pfiff aus ( ; der Pfiff; pfeifen , ; ausstoßen): Ich kapiere ( ). Die kleine Nielsen bekommt von uns für morgen ein weißes Kleid mit kleinen Blümchen ( ). Eine Tante war mit ihr und hat es ausgesucht, eine wandelnde Pest, diese Tante für morgen hat Sven alle Nielsens eingeladen ( //, , ; die Pest). Und oh, ich kapiere ( , )!

Ulla nimmt das Kleid, hält es vor sich hin, schaut das Kleid an, denkt an die wandelnde Pest von Tante ( , , , ).

 

57. Thesi schält sich aus dem Kleid und sieht dann Ulla zu, die mit ein paar Stichen das Kleid enger macht. Viel essen dürfen Sie nicht, sonst platzt es, ich mache es richtig eng, sonst geht die Linie verloren.

Thesi nickt gehorsam. Wenn ich in dem Kleid daherkomme, gibt mir sowieso kein Mensch etwas zu essen.

Gehen Sie zu einer großen Gesellschaft? fragt Ulla, ohne von der Arbeit aufzusehen.

Ich glaube schon. Es werden viele Leute dort sein. Aber ich bin überhaupt nicht eingeladen. Ich komme sozusagen als Überraschung, sagt Thesi. Sie schaut nachdenklich auf die Fotografie von Ullas braven, stocksteifen Eltern, und ihr Plan kommt ihr absurd vor. Dann sieht sie Ulla an Ulla im lichtblauen Kleid, rote Blumen am Ausschnitt, klappernde Armbänder , es ist nicht mehr absurd, es ist ganz einfach, es wird ein Riesenspaß.

Morgen Abend schaue ich mir die Villa von Sven Poulsen an, sagt Thesi wie nebenbei.

Ulla beißt den Faden ab, das Kleid ist fertig, mit einem Ruck wendet sie sich zu Thesi: Sagen Sie Sie waren doch einmal mit Sven verheiratet, natürlich, und .

Ulla stößt einen langen diskreten Pfiff aus: Ich kapiere. Die kleine Nielsen bekommt von uns für morgen ein weißes Kleid mit kleinen Blümchen. Eine Tante war mit ihr und hat es ausgesucht, eine wandelnde Pest, diese Tante für morgen hat Sven alle Nielsens eingeladen. Und oh, ich kapiere!

Ulla nimmt das Kleid, hält es vor sich hin, schaut das Kleid an, denkt an die wandelnde Pest von Tante.

 

58. Es wird ein Riesenspaß ( ), sagt Ulla und nickt anerkennend ( c , ; anerkennen ). Sie haben Humor ( ; der Humór). Aber warum tun Sie das ( )? Thesi lacht ( ): Weil es ein Riesenspaß wird ( ). Sven hat mich eingeladen, die neue Villa anzuschauen ( ). Irgendwann, wenn ich gerade in der Nähe bin (-, ). Morgen Abend werde ich in der Nähe sein ( ). Und da platze ich hinein in die Gesellschaft mit allen Nielsens, es wird schrecklich komisch werden ( , )...

Geben Sie auf das Kleid acht ( ), mahnt Ulla und beginnt das Kleid einzupacken, pedantisch und zeremoniell, erst wieder den weißen Überzug und dann Seidenpapier ( , , // , ).

Hören Sie, Ulla, sagen Sie keinem Menschen von der Sache (, , : ), bittet Thesi ( ), sonst ist der Spaß futsch ( ; futsch sein , ).

Was?

Futsch (Futsch). Ein Wiener Ausdruck für tschari ( tschari; der Ausdruck). Tschari ein Wiener Ausdruck für weg, total weg (tschari weg, total weg , ).

Mein Spaß geht sonst kaputt ( ; kaputtgehen , , ).

Kaufen Sie sich noch einen ganz dunklen Lippenstift, es wird Ihnen gut stehen ( , ). Und die Haare nicht so herumhängen lassen, sondern auf frisieren, wie es jetzt modern ist ( , , ; modérn ). Rückwärts hinauf, ja ( , )?

Ja, und danke vielmals, Ulla (, , ). Schade, dass Sie nicht dabeisein werden (, ; dabeisein ), sagt Thesi im Vorzimmer ( ).

Ich werde schon alle Einzelheiten über die Geschichte erfahren, keine Angst ( , ; die Einzelheit; die Angst). Also viel Glück ( )! Ich muss mich jetzt beeilen, mein Gast kommt gleich Wiedersehen ( , )!

Ulla Sie sind ein Engel, Sie brauchen wirklich kein Auto ( , , , ; der Engel). Eines Tages wachsen Ihnen Flügel und Sie fliegen morgens ins Geschäft ( ; der Flügel). Wiedersehen ( )!

 

58. Es wird ein Riesenspaß, sagt Ulla und nickt anerkennend. Sie haben Humor. Aber warum tun Sie das? Thesi lacht: Weil es ein Riesenspaß wird. Sven hat mich eingeladen, die neue Villa anzuschauen. Irgendwann, wenn ich gerade in der Nähe bin. Morgen Abend werde ich in der Nähe sein. Und da platze ich hinein in die Gesellschaft mit allen Nielsens, es wird schrecklich komisch werden...

Geben Sie auf das Kleid acht, mahnt Ulla und beginnt das Kleid einzupacken, pedantisch und zeremoniell, erst wieder den weißen Überzug und dann Seidenpapier.

Hören Sie, Ulla, sagen Sie keinem Menschen von der Sache, bittet Thesi, sonst ist der Spaß futsch.

Was?

Futsch. Ein Wiener Ausdruck für tschari. Tschari ein Wiener Ausdruck für weg, total weg. Mein Spaß geht sonst kaputt.

Kaufen Sie sich noch einen ganz dunklen Lippenstift, es wird Ihnen gut stehen. Und die Haare nicht so herumhängen lassen, sondern auf frisieren, wie es jetzt modern ist. Rückwärts hinauf, ja?

Ja, und danke vielmals, Ulla. Schade, dass Sie nicht dabeisein werden, sagt Thesi im Vorzimmer. Ich werde schon alle Einzelheiten über die Geschichte erfahren, keine Angst. Also viel Glück! Ich muss mich jetzt beeilen, mein Gast kommt gleich Wiedersehen!

Ulla Sie sind ein Engel, Sie brauchen wirklich kein Auto. Eines Tages wachsen Ihnen Flügel und Sie fliegen morgens ins Geschäft. Wiedersehen!

 

59. Thesi geht durch den kleinen Vorgarten, zauberhafte Hyazinthen blühen vor dem Haus, rosa und lilablaue ( , , -; der Zauber; der Hyazínth). Thesi schaut auf die Hyazinthen und nicht auf den Weg ( , ). Vor der Gartentür rennt sie gegen den Bauch eines älteren Herrn ( ; die Gartentür; der Bauch; rennen ). Oh, Pardon , sagt Thesi und sieht erschrocken auf ( ; erschrecken , ). Pardon, sagt auch der Herr, und Thesi konstatiert, dass er ein Zirkusdirektor ist ( , , ; der Zirkus). Vielleicht ist er auch keiner, aber er schaut so aus (, , ). Silbergrauer Anzug, silbergrauer steifer Hut und blitzend-weiße Gamaschen über den Schuhen (- , - ; das Silber ; blitzen , ; die Gamásche; der Schuh). Der Zirkusdirektor ist etwas verstört und zieht schnell den Hut und lächelt dann forsch eben wie ein Zirkusdirektor, der Hohe Schule reiten soll und gegen beginnende Verkalkung anzukämpfen hat ( , ; reiten , ; Hohe Schule reiten ; die Verkalkung; beginnen , ). Dann tänzelt Ullas Nachtmahlgast auf die Haustür zu ( , , ).

Thesi dreht sich noch einmal um, um Ullas kleines Haus anzuschauen ( , ). Und jetzt pfeift Thesi durch die Zähne ( ). Aber nicht diskret wie vorhin Ulla, sondern laut und ungezogen ( , , ; diskrét , ). Schau mal an! Schau mal einer an: wohnt diese Ulla hinter Glas ( ! : )! Vorn nichts als Glas, Dach ganz flach, damit man darauf in der Sonne liegen kann ( , , // ). Ulla, wer baut denn so verrückte Häuser (, )?

Thesi wandert mit ihrem Paket die Villenstraße entlang ( ; das Pakét). Sie ist sehr gut aufgelegt ( ; gut aufgelegt sein ). Das Leben ist so komisch ( ). Deshalb natürlich, deshalb hat Ulla einfach Sven gesagt ( , , ). Sie waren doch einmal mit Sven verheiratet, hat Ulla hingeschmissen ( - , / / ; schmeißen ).

 

59. Thesi geht durch den kleinen Vorgarten, zauberhafte Hyazinthen blühen vor dem Haus, rosa und lilablaue. Thesi schaut auf die Hyazinthen und nicht auf den Weg. Vor der Gartentür rennt sie gegen den Bauch eines älteren Herrn. Oh, Pardon , sagt Thesi und sieht erschrocken auf. Pardon, sagt auch der Herr, und Thesi konstatiert, dass er ein Zirkusdirektor ist. Vielleicht ist er auch keiner, aber er schaut so aus. Silbergrauer Anzug, silbergrauer steifer Hut und blitzend-weiße Gamaschen über den Schuhen. Der Zirkusdirektor ist etwas verstört und zieht schnell den Hut und lächelt dann forsch eben wie ein Zirkusdirektor, der Hohe Schule reiten soll und gegen beginnende Verkalkung anzukämpfen hat. Dann tänzelt Ullas Nachtmahlgast auf die Haustür zu.

Thesi dreht sich noch einmal um, um Ullas kleines Haus anzuschauen. Und jetzt pfeift Thesi durch die Zähne. Aber nicht diskret wie vorhin Ulla, sondern laut und ungezogen. Schau mal an! Schau mal einer an: wohnt diese Ulla hinter Glas! Vorn nichts als Glas, Dach ganz flach, damit man darauf in der Sonne liegen kann. Ulla, wer baut denn so verrückte Häuser?

Thesi wandert mit ihrem Paket die Villenstraße entlang. Sie ist sehr gut aufgelegt. Das Leben ist so komisch. Deshalb natürlich, deshalb hat Ulla einfach Sven gesagt. Sie waren doch einmal mit Sven verheiratet, hat Ulla hingeschmissen.

 

60. Man müsste irgend jemanden haben, mit dem man richtig tratschen kann, denkt Thesi ( -, - , ). Jemanden, dem man alles erzählt und mit dem man sich dann schieflacht (-, ; schief ). Die Leute halten einen ja für einen Kretin, wenn man allein daherkommt und vor sich hin grinst ( , ; der Kretín).

Thesi wartet bei der Straßenbahnstation auf den Fünfzehner und beschließt, noch nicht nach Hause zu fahren ( // ; die Straßenbahnstation; der Fünfzehner). An diesem Maiabend kann man nicht allein zu Hause sitzen ( ). Überhaupt nicht im Mai, sonst muss man an Wien denken und dass auf dem Heldenplatz der Flieder blüht und dass man nach Hause möchte und doch kein wirkliches Zuhause mehr hat ( , , , ; der Heldenplatz; der Held ; das Zuhause , , ). Im Fünfzehner überlegt Thesi, dass sie bis zum Rathausplatz fahren wird ( // , ). Dann wird sie den Strög entlang gehen, die Kärntner Straße von Kopenhagen, die Old Bondstreet von Kopenhagen, Auslagen anschauen und nachdenken, was man kaufen würde, wenn man Geld hätte ( , - , , , , ; die Auslage; das Geld). Also, den Strög entlang bis zum Hotel d'Angleterre (, d'Angleterre). Vor dem Hotel d'Angleterre sind viele kleine Kaffeehaustischchen, Thesi wird dort einen Mokka trinken und Leute anschauen ( d'Angleterre , ; das Kaffeehaustischchen , ).

Schade sie hat niemanden, mit dem sie lachen kann ( , ). Thesi geht den Strög entlang und trägt ihr weißes Paket behutsam im Arm ( ; der Arm). Wie ein Baby trägt sie das Kleid, ihr erstes wirklich unanständiges Kleid ( , , - ; das Baby). Fünfzehn Minuten später gibt es einen neuen Mann in Thesis Leben ( ; das Leben).

 

60. Man müsste irgend jemanden haben, mit dem man richtig tratschen kann, denkt Thesi. Jemanden, dem man alles erzählt und mit dem man sich dann schieflacht. Die Leute halten einen ja für einen Kretin, wenn man allein daherkommt und vor sich hin grinst.

Thesi wartet bei der Straßenbahnstation auf den Fünfzehner und beschließt, noch nicht nach Hause zu fahren. An diesem Maiabend kann man nicht allein zu Hause sitzen. Überhaupt nicht im Mai, sonst muss man an Wien denken und dass auf dem Heldenplatz der Flieder blüht und dass man nach Hause möchte und doch kein wirkliches Zuhause mehr hat. Im Fünfzehner überlegt Thesi, dass sie bis zum Rathausplatz fahren wird. Dann wird sie den Strög entlang gehen, die Kärntner Straße von Kopenhagen, die Old Bondstreet von Kopenhagen, Auslagen anschauen und nachdenken, was man kaufen würde, wenn man Geld hätte. Also, den Strög entlang bis zum Hotel d'Angleterre. Vor dem Hotel d'Angleterre sind viele kleine Kaffeehaustischchen, Thesi wird dort einen Mokka trinken und Leute anschauen.

Schade sie hat niemanden, mit dem sie lachen kann. Thesi geht den Strög entlang und trägt ihr weißes Paket behutsam im Arm. Wie ein Baby trägt sie das Kleid, ihr erstes wirklich unanständiges Kleid. Fünfzehn Minuten später gibt es einen neuen Mann in Thesis Leben.

 

61. Der Mann sitzt mit einer großen Gesellschaft vor dem d'Angleterre, zwei Tische wurden aneinandergeschoben, die Leute an den beiden Tischen lachen sehr laut ( d'Angleterre, , ; aneinanderschieben ). Thesi kommt vorbeigeschlendert und sucht für sich ein Platzerl zum Mokkatrinken, unwillkürlich schaut sie in die Richtung dieser lauten Bande, schaut hin ( , , , ..; die Bande , ; das Platzerl) .

Sieht einen Mann mit braungebranntem Gesicht, rosa Hemd, er hat helle Haare, der Mann lacht wie die anderen, lacht ( , , , , ...) .

Da sieht er Thesi ( ). Hört zu lachen auf, klappt den Mund zu und starrt Thesi an ( , ). Thesi bleibt stehen, nur eine Sekunde, es schickt sich nicht, aber sie hat gar keine Zeit nachzudenken, ob sich etwas schickt oder nicht, sie findet diesen wildfremden Mann reizend und schaut ihn auch an ( , , , , , ; sich schicken , ; die Sekúnde).

Eine unmögliche Situation (: ). Es zuckt um Thesis Mund, und sie muss lächeln ( , ). Eine noch unmöglichere Situation ( ). In unmöglichen Situationen hat Thesi meistens einen Schutzengel ( -; der Schutzengel; schützen , ). Dieser Schutzengel hat heute eine grelle amerikanische Frauenstimme und benimmt sich, wie sich eben amerikanische Schutzengel benehmen ( - = , , -).

 

61. Der Mann sitzt mit einer großen Gesellschaft vor dem d'Angleterre, zwei Tische wurden aneinandergeschoben, die Leute an den beiden Tischen lachen sehr laut. Thesi kommt vorbeigeschlendert und sucht für sich ein Platzerl zum Mokkatrinken, unwillkürlich schaut sie in die Richtung dieser lauten Bande, schaut hin .

Sieht einen Mann mit braungebranntem Gesicht, rosa Hemd, er hat helle Haare, der Mann lacht wie die anderen, lacht .

Da sieht er Thesi. Hört zu lachen auf, klappt den Mund zu und starrt Thesi an. Thesi bleibt stehen, nur eine Sekunde, es schickt sich nicht, aber sie hat gar keine Zeit nachzudenken, ob sich etwas schickt oder nicht, sie findet diesen wildfremden Mann reizend und schaut ihn auch an.

Eine unmögliche Situation. Es zuckt um Thesis Mund, und sie muss lächeln. Eine noch unmöglichere Situation. In unmöglichen Situationen hat Thesi meistens einen Schutzengel. Dieser Schutzengel hat heute eine grelle amerikanische Frauenstimme und benimmt sich, wie sich eben amerikanische Schutzengel benehmen.

 

62. Amerikanische Schutzengel rufen zuerst einmal ( - ): Hello () ! Alle Leute vor dem d'Angleterre hören diesen grellen Ruf, jetzt kommt sogar Hello, Thesi-Darling ( d'Angleterre , , , ; der Ruf)!, und alle schauen Thesi an, und Thesi findet es sehr peinlich ( , ). Man erregt nicht gern Aufsehen, wenn man das alte graue Kostüm anhat und den aufgeschlagenen Hut, sie hat seit Stunden ihre Nase nicht frisch gepudert und hält im Arm dieses lächerliche Seidenpapierpaket ( , = , ; das Aufsehen , /). Thesi wird rot und steuert schnell auf ihren amerikanischen Schutzengel zu ( -). Der Schutzengel heißt Betsy und ist die Tochter eines Herrn von der amerikanischen Gesandtschaft, Thesi hat sie ein paarmal bei Bekannten getroffen (- , , ; die Gesandtschaft; treffen). Aber das ist ganz egal ( ; egál ). Wichtig ist nur, dass Betsy neben dem Mann mit dem sympathischen Gesicht sitzt ( , ). Großes Händeschütteln ( ; j-m die Hand schütteln - ). That is Thesi ( ), verkündet Betsy ( ), Excuse me, Thesi-Darling ich weiß Ihren zweiten Namen nicht ( , , , )! Betsy spricht Englisch, Dänisch und Deutsch durcheinander, alle Sprachen klingen gleich, wenn Betsy sie spricht ( , , , ).

Thesi-Darling, setzen Sie sich zwischen diese zwei fremden Herren und seien Sie nett zu ihnen, die Herren kommen aus dem Krieg so, und jetzt soll Mister Jensen weitererzählen, Thesi Mister Jensen erzählt gerade, wie er mit dem König zusammengestoßen ist (, , , , = , , , , ; der Krieg; der König)...

 

62. Amerikanische Schutzengel rufen zuerst einmal: Hello ! Alle Leute vor dem d'Angleterre hören diesen grellen Ruf, jetzt kommt sogar Hello, Thesi-Darling!, und alle schauen Thesi an, und Thesi findet es sehr peinlich. Man erregt nicht gern Aufsehen, wenn man das alte graue Kostüm anhat und den aufgeschlagenen Hut, sie hat seit Stunden ihre Nase nicht frisch gepudert und hält im Arm dieses lächerliche Seidenpapierpaket. Thesi wird rot und steuert schnell auf ihren amerikanischen Schutzengel zu. Der Schutzengel heißt Betsy und ist die Tochter eines Herrn von der amerikanischen Gesandtschaft, Thesi hat sie ein paarmal bei Bekannten getroffen. Aber das ist ganz egal. Wichtig ist nur, dass Betsy neben dem Mann mit dem sympathischen Gesicht sitzt.

Großes Händeschütteln. That is Thesi, verkündet Betsy, Excuse me, Thesi-Darling ich weiß Ihren zweiten Namen nicht! Betsy spricht Englisch, Dänisch und Deutsch durcheinander, alle Sprachen klingen gleich, wenn Betsy sie spricht. Thesi-Darling, setzen Sie sich zwischen diese zwei fremden Herren und seien Sie nett zu ihnen, die Herren kommen aus dem Krieg so, und jetzt soll Mister Jensen weitererzählen, Thesi Mister Jensen erzählt gerade, wie er mit dem König zusammengestoßen ist...

 

63. Mister Jensen erzählt eine lange Geschichte, von seinem Auto und vom Auto des Königs und wer in seinem Auto war und wer im Auto des Königs ( , , ). Thesi sitzt steif zwischen dem neuen Mann in ihrem Leben und einem anderen Herrn, den sie noch nicht einmal angesehen hat ( , ). Sie hält ihr Paket auf den Knien, weil keine Möglichkeit ist, es irgendwo anders hinzulegen ( , - ). Und sie ärgert sich wütend, weil sie so verlegen ist ( , - , ; wütend , , ). Aber es ist eine komische Situation: man lächelt einen wildfremden Herrn an, und in der nächsten Sekunde ist alles formell und gesellschaftlich, man sitzt neben ihm, und es ist gar nichts dabei ( : , = , , / /). Thesi spürt, dass der Mann sie von der Seite anschaut, sie spürt es mit ihrem ganzen Körper, er soll schon irgend etwas reden, er soll ( , , , - , ; der Körper)...

Geben Sie mir das Paket, wir werden es irgendwo hinlegen ( , - ), sagt der Mann auf Deutsch und greift nach dem Paket ( - ). Oh es stört mich nicht ( ), sagt Thesi. Aber der Mann nimmt einfach das Paket von ihren Knien und winkt einem Kellner ( ; winken ).

Geben Sie es in die Garderobe ( )!

Bitte nicht, es darf nicht verlorengehen (, , ) wendet Thesi ängstlich ein ( ; einwenden). Aber der Kellner ist schon mit dem Paket verschwunden ( ).

Was haben Sie denn für Kostbarkeiten in Ihrem Paket ( ; die Kostbarkeit)? fragt der Mann.

Ein Kleid ().

 

63. Mister Jensen erzählt eine lange Geschichte, von seinem Auto und vom Auto des Königs und wer in seinem Auto war und wer im Auto des Königs. Thesi sitzt steif zwischen dem neuen Mann in ihrem Leben und einem anderen Herrn, den sie noch nicht einmal angesehen hat. Sie hält ihr Paket auf den Knien, weil keine Möglichkeit ist, es irgendwo anders hinzulegen. Und sie ärgert sich wütend, weil sie so verlegen ist. Aber es ist eine komische Situation: man lächelt einen wildfremden Herrn an, und in der nächsten Sekunde ist alles formell und gesellschaftlich, man sitzt neben ihm, und es ist gar nichts dabei. Thesi spürt, dass der Mann sie von der Seite anschaut, sie spürt es mit ihrem ganzen Körper, er soll schon irgend etwas reden, er soll...

Geben Sie mir das Paket, wir werden es irgendwo hinlegen, sagt der Mann auf Deutsch und greift nach dem Paket.

Oh es stört mich nicht, sagt Thesi. Aber der Mann nimmt einfach das Paket von ihren Knien und winkt einem Kellner.

Geben Sie es in die Garderobe!

Bitte nicht, es darf nicht verlorengehen wendet Thesi ängstlich ein. Aber der Kellner ist schon mit dem Paket verschwunden.

Was haben Sie denn für Kostbarkeiten in Ihrem Paket? fragt der Mann.

Ein Kleid.

 

64. Der Mann lächelt, und Thesi findet, dass er riesig sympathisch lächelt ( , , ). Außerdem schaut er sie an, als ob sie schon ein nettes Geheimnis miteinander hätten ( , - ; das Geheimnis). Nein es ist noch viel aufregender, er schaut sie an, als ob sie bald ein nettes Geheimnis miteinander haben würden ( , , - ; aufregen , ).

Ein schönes Kleid ( )? fragt er weiter ( ). Thesi kann überhaupt keine vernünftige Antwort überlegen, sie sagt mechanisch die Wahrheit ( - , ; die Antwort): Ein unanständiges Kleid ( ).

Herr Jensen erzählt noch immer an seiner Geschichte ( ). Thesi überlegt, dass es sonderbar ist, dass der sympathische Mann Deutsch mit ihr spricht ( , , -). Er ist doch Amerikaner, man hört es an der Aussprache ( , ; die Aussprache; aussprechen , ). Warum sprechen Sie Deutsch mit mir ( -)?

Betsy hat mir erzählt, dass Sie aus Wien sind ( , ).

Wann hat Betsy über mich gesprochen ( )? Sein Gesicht ist nah, er flüstert, um Herrn Jensen nicht zu stören ( , , //): Vorhin als Sie vorbeikamen ( ). Und stehen geblieben sind, weil ( , ) Thesi wird sehr rot ( ).

Weil Sie Betsy erkannt haben ( ). Betsy hat Sie auch sofort bemerkt und das ist die kleine Wienerin gesagt und Hello gerufen ( ).

Thesi nickt ( ). Sie sprechen eine ganze Weile nichts miteinander, aber Thesi hat dieses sonderbar süße Gefühl in der Herzgegend, das immer kommt, wenn ihr ein Mann schrecklich gut gefällt und irgend etwas Neues beginnt ( , , , - - ; die Weile , ; das Gefühl; die Herzgegend). Thesi hat das Gefühl so lange nicht gehabt ( )...

 

64. Der Mann lächelt, und Thesi findet, dass er riesig sympathisch lächelt. Außerdem schaut er sie an, als ob sie schon ein nettes Geheimnis miteinander hätten. Nein es ist noch viel aufregender, er schaut sie an, als ob sie bald ein nettes Geheimnis miteinander haben würden.

Ein schönes Kleid? fragt er weiter.

Thesi kann überhaupt keine vernünftige Antwort überlegen, sie sagt mechanisch die Wahrheit: Ein unanständiges Kleid.

Herr Jensen erzählt noch immer an seiner Geschichte. Thesi überlegt, dass es sonderbar ist, dass der sympathische Mann Deutsch mit ihr spricht. Er ist doch Amerikaner, man hört es an der Aussprache.

Warum sprechen Sie Deutsch mit mir?

Betsy hat mir erzählt, dass Sie aus Wien sind.

Wann hat Betsy über mich gesprochen?

Sein Gesicht ist nah, er flüstert, um Herrn Jensen nicht zu stören: Vorhin als Sie vorbeikamen. Und stehen geblieben sind, weil Thesi wird sehr rot. Weil Sie Betsy erkannt haben. Betsy hat Sie auch sofort bemerkt und das ist die kleine Wienerin gesagt und Hello gerufen.

Thesi nickt. Sie sprechen eine ganze Weile nichts miteinander, aber Thesi hat dieses sonderbar süße Gefühl in der Herzgegend, das immer kommt, wenn ihr ein Mann schrecklich gut gefällt und irgend etwas Neues beginnt. Thesi hat das Gefühl so lange nicht gehabt...

 

65. Um Gottes willen: die Nase ( : )! Sicherlich glänzt die Nase, sie ist seit Stunden nicht gepudert worden (, , , ). Da steht Betsy auf und sagt ( ): Einen Augenblick ( ). Thesi läuft ihr nach, sie gehen ins Hotel und stehen dann gemeinsam vor dem großen Spiegel im Vorraum ( , ) Für Damen ( ). Thesi reißt den Hut ab und kämmt die ungeordneten Haare, dann wischt sie mit der Puderquaste übers Gesicht ( , ; die Puderquaste; die Quaste , ). Betsy, es war sehr lieb von Ihnen, dass Sie mich an den Tisch gerufen haben (, , )! sagt sie.

Betsy gibt keine Antwort und malt aufmerksam ihre Lippen an ( , ; anmalen ). Wer ist der hübsche Amerikaner ich meine, der mit dem rosa Hemd, neben dem ich sitze ( , )?

John Craven ( ), antwortet Betsy und presst die bemalte Oberlippe auf die unbemalte Unterlippe, damit die Unterlippe von der Oberlippe abfärbt ( , ; die Farbe ); man muss das tun, wenn man sich kunstgerecht die Lippen bemalt ( , ; die Kunst ).

Danke es war besonders lieb von Ihnen, sagt Thesi noch einmal und schraubt auch an ihrem Lippenstift herum ( , ; schrauben ).

 

65. Um Gottes willen: die Nase! Sicherlich glänzt die Nase, sie ist seit Stunden nicht gepudert worden. Da steht Betsy auf und sagt: Einen Augenblick. Thesi läuft ihr nach, sie gehen ins Hotel und stehen dann gemeinsam vor dem großen Spiegel im Vorraum Für Damen.

Thesi reißt den Hut ab und kämmt die ungeordneten Haare, dann wischt sie mit der Puderquaste übers Gesicht. Betsy, es war sehr lieb von Ihnen, dass Sie mich an den Tisch gerufen haben! sagt sie.





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