Bis etwa ins 16. Jahrhundert entwickelte das belarussische Volk seine vollständige ethnische Identität. Es gab sich seine literarische Sprache, begründete seine Kultur und brachte aus seiner Mitte eine Reihe bedeutender Humanist, Kämpfer für Volksbildung und die national-kulturellen Interessen der belarussischen Bevölkerung hervor.
Einer der bedeutendsten aus dieser Reihe war zu jener Zeit Georgij (Franzisk) Skaryna. Über seine Biographie wissen wir nur sehr wenig. Bekannt ist, dass Skaryna als Sohn einer Kaufmannsfamilie in dem „ruhmreichen“ Ort Polazk aufgewachsen ist und auf den Namen Jurij getauft wurde. Sein Vater unterhielt Handel mit Riga, Gdansk, Posnan und anderen Städten. In Polazk blühten zu jener Zeit alte, kulturelle Traditionen.
1504 ging Skaryna an die philosophische Fakultät der Krakauer Universität und schloss sie 1506 ab. Er erhielt den akademischen Grad „Bakkalaureus“. In den Akten der Universität wurde er unter dem Namen Franzisk geführt. Wo sich Skaryna während der nächsten sechs Jahre aufhielt und wo er studierte, ist nicht bekannt. Übermittelt ist nur, dass er in dieser Zeit den akademischen Titel „Doktor der Wissenschaften“ erwarb.
Im November des Jahres 1512 fuhr Skaryna in die italienische Stadt Padua, die sich zu jener Zeit ihrer medizinischen Fakultät rühmte. Ab 9. November 1512 wurde ihm – nach Bestehen der entsprechenden Examen – der Titel „Doktor der medizinischen Wissenschaften“ zuerkannt.
Im Folgenden kehrte Skaryna aus Italien in seine Heimat zurück. Gemäß seinem Bemühen um eine breite Volksbildung entschloss er, eine Druckerei für Bildungsliteratur aufzubauen. In Polazk aber fand er dafür keine geeigneten Mittel und Wege und reiste daher in die Tschechei, nach Prag aus, in der bereits volle Religionsfreiheit herrschte.
In den Jahren 1516-1517 verlegte und druckte Skaryna die Bibel, die er in 22 Teilen herausgibt. Zwischen 1520 und 1525 baut er eine Druckerei in Wilno auf, die während des großen Stadtbrandes im Sommer 1530 vernichtet wird. Alte Dokumente, deren Sicherung in Prag wir dem tschechischen Verleger A. Florowskij verdanken, geben uns die Möglichkeit, die nächste Reise Skarynas nach Prag genau auf das Jahr 1534 zu datieren, wo er seit dieser Zeit am königlichen Hof in der botanischen Anlagen arbeitete.
Das Wirken Skarynas, des ersten belarussischen Buchdruckers und Humanisten, trug wesentlich bei zur kulturellen Entwicklung seines Volkes und erweiterte Wissen und Alphabetentum für weite Volksschichten. Skaryna war sowohl Mediziner als auch Philosoph, Botaniker, Literat, Übersetzer, Herausgeber und Drucker. Er beherrschte eine ganze Reihe von Fremdsprachen, lernte und lebte in vielen verschiedenen Ländern. Diese weit gefächerte Bildung war allgemein charakteristisch für die höheren Kreise jener Zeit. Dem Wirken Skarynas kommt nicht nur eine fundamentale Bedeutung für die kulturelle Entwicklung der slawischen Völker zu, sondern auch für die Buchdruckkunst im Allgemeinen.