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Oder mit dem Auto sieht man etwas von der Welt




 

Früher spazierte oder kutschierte man zu dem Gehöft oder der Mühle vor der Stadt, wo es ein Glas Milch oder ein Viertele Wein zu trinken gab. Später wurden aus den Mühlen und Gehöften Ausflugslokale, aber sonst blieb alles beim Alten. Keine große Leistung, alles in allem vielleicht zehn Kilometer.

Heute haben wir es viel schöner. Das Auto steht vor der Tür, wir spazieren ins Auto.

Schon das Einsteigen ist schön. Zwei nehmen vorne Platz, drei hinten, der Kleine kommt auf den Schoß, Justus zwischen die Knie und da können wir nun gemütlich sitzen bleiben, alles andere macht das Auto.

Und das Auto fährt ab mit Musik. Neben dem Kilometerzähler ist das Radio, und wir vernehmen das Lied Der liebeskranke Mann. Das ist schön.

Auf der Straße sind noch mehr Autos, eine ganze Menge. Sie fahren alle spazieren ziemlich schnell, denn wenn man spazieren fährt, muss man sehen, dass man weiterkommt. Die Landschaft wird immer sehenswerter, aber der Mann am Steuer muss auf die Straße achten. Das sollte etwas geben, wenn er nach rechts oder nach rechts sehen wollte! Übrigens helfen ihm die anderen Insassen beim Achtgeben. Ihre Gesichter sind gespannte Aufmerksamkeit. Es ist sehr schön, auf die Straße zu achten.

Nur einer, es ist Angelo, hat woanders hingeschaut und etwas auf einem Kirchendach entdeckt. Ein Storch, ein Storch! ruft er. Aber die Kirche samt Storch ist längst vorbei.

Nunmehr gelangen wir auf eine schnurgerade Straße. Ewald, sagt die Tante, die etwas ängstlich ist, du fährst ja neunzig Kilometer! Ewald lachte. Das ist noch gar nichts, auf so einer Straße kann man hundertsechzig fahren! Mit diesen Worten gibt er ein wenig mehr Gas. Der Zähler zeigt 100, 110, 120, 130. Es ist schön, hundertdreißig zu fahren.

Aber leider ist die gerade Straße schon zu Ende, und wir gehen wieder auf achtzig herunter. Jedenfalls hat Ewald mal schnell zeigen können, was in dem Wagen steckt. Es war ihm wirklich ein Kinderspiel.

Wir passieren jetzt ein Dorf von verkehrsfeindlicher Bauweise. An einer Ecke taucht plötzlich ein Auto vor unserem Kühler auf, wie aus dem Nichts! Alle erschrecken, aber eigentlich ist es zum Erschrecken schon zu spät, denn die Gefahr ist bereits vorüber. Ewald hat die Lage geistesgegenwärtig gemeistert. Überstandene Gefahr ist etwas Schönes.

Jetzt befinden wir uns in einem Hochtal. Seitwärts tut sich eine einsame Parklandschaft auf, durchflossen von einem Bach. Ein wunderschöner Ort! Man könnte vielleicht aussteigen und etwas am Bach spazieren gehen?

Du hängst davon ab, ob wir die berühmte Höhenstraße noch mitnehmen können. In diesem Fall haben wir Landschaft in Massen vom Auto aus und brauchen nicht auszusteigen. Wir befragen die Karte, und es stellt sich heraus, dass wir sitzen bleiben können. Wir schaffen die Höhenstraße noch! Es ist schön, sitzen zu bleiben.

Auf kurvenreicher Strecke geht es zu ihr hinan. Elegant nimmt der Wagen die Kurven, ohne dass Ewald abstoppen oder schalten muss. Das ist sehr befriedigend und schön.

Ringsum ist prachtvoller Wald. Am Straßenrand wachsen hohe Fingerhüte und blühen Vergissmeinnicht in blauen Teppichen, und daneben stürzt ein Quell über Felsbrocken herab. Nun ist nicht gesagt, dass Spazierfahrer solches nicht beachten. Denn es kann immer mal vorkommen, dass einem von ihnen übel wird.

Justus kann die Kurven nicht vertragen. Er wird blass, ihm ist ganz elend, es will etwas aus ihm heraus, und wir müssen anhalten.

Das ist sehr ärgerlich, und der Mann am Steuer sieht nach der Uhr. Man bedenke den Zeitverlust! Ohne diesen wären die Fingerhüte, blauen Blümchen und dergleichen in diesen bericht nicht hineingekommen.

Endlich hat Justus wieder etwas Farbe, es kann weitergehen! Fatalerweise sind jedoch während unseres Aufenthaltes drei langsame Autobusse an uns vorüber gefahren. Nun haben wir sie ständig vor uns, und die Straße ist fast zu schmal zum Überholen. Ewald aber wagt es. Nein! ruft seine Frau, du kommst nicht vorbei! Doch, sagt Ewald, und schon ist er vorbei. Es ging ganz knapp und war aufregend, aber jedenfalls halten sie uns jetzt nicht mehr auf. Es ist schön, keine Zeit zu verlieren.

Wir haben nunmehr die Höhenstraße erreicht und genießen die Fernsicht. Tatsächlich ist sie sehr bedeutend. Ein äußerst günstiges Angebot in Naturschönheit. Mit einem einzigen Blick kann man mehr Landschaft konsumieren als sonst in einem Jahr! Selbst der Mann am Steuer kann manchmal kurz zur Seite sehen, denn hier oben ist nicht viel Verkehr. Sehr effektvoll sorgt unser Radio für musikalische Untermalung des Naturerlebnisses, indem es ein oberbayerisches Jodellied spiel. Das ist sehr schön.

Im Nu haben wir die Höhenstraße hinter uns. Langsam beginnt es zu dunkeln, und wir eilen heimwärts.

Das war ein schöner Tag. Zweihundertzwanzig Kilometer! Auf diese Weise haben wir etwas vom Leben. Mit einem Auto sieht man etwas von der Welt.

Wir steigen aus. Es ist sehr schön auszusteigen. Kinder, ist das Aussteigen schön!

 

Aufgaben

 

Aufgaben zum Wortschatz

1. Bestimmen Sie anhand der Beispiele die Bedeutungen des Verbs vernehmen und seine

Gebrauchsbereiche. Worin besteht der Unterschied zwischen hören und vernehmen?

2. Aus welchen Gebrauchsbereichen sind folgende Vokabeln übertragen? a) Sehr effektvoll sorgt

unser Radio für musikalische Untermalung des Naturerlebnisses. b) Mit einem einzigen Blick

kann man mehr Landschaft konsumieren als sonst in einem Jahr.

 

Aufgaben zum Inhalt und zur sprachlichen Gestaltung des Textes

1. Wer ist der Erzähler der Geschichte?

2. Worin sieht der Autor den Unterschied von früher und heute in dieser Kurzgeschichte?

3. Erläutern Sie die Bedeutung der Verben spazieren, kutschieren, spazieren fahren anhand des

Textes.

4. Welche Färbung erhält der Text durch die Formulierung Wir spazieren ins Auto? Finden Sie

im Text andere Ausdrücke, die demselben Zweck dienen.

5. Wie empfinden die Ausflügler die Natur während der Fahrt?

In welchen Fällen können sie die Natur genießen?

6. Welche Mahnung steckt im Satz Das sollte etwas geben, wenn er nach rechts und links sehen

wollte?

7. Welches Adjektiv wird im Text wiederholt gebraucht? Ist die darin enthaltene Wirkung auf

die Landschaft oder auf die Autofahrt bezogen? In welchem inhaltlichen Zusammenhang wird

es verwendet?

8. In welchen Fällen werden Ausrufesätze gebraucht?

9. Was ist das Beste an einem Autoausflug und wie betont das der Erzähler?

10. Zu welchen Lebensbereichen gehören folgende Vokabeln, was bezweckt der Autor mit ihrer

Verwendung: der Bericht, das Angebot, konsumieren?

 

Zusätzliche Aufgaben

1. Schreiben Sie aus dem Text alle Vokabeln heraus, die zum Thema Auto und Autofahrt

gehören.

2. Was ist ein Fingerhut im Alltag, und warum heißt die Waldblume auch so?

3. Was für ein Lied ist ein Jodellied? In welcher Gegend wird es vorwiegend gesungen?

 

Heinrich Böll





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