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Kapitel 8 - Jugend im Aufbruch




Als Mitte der sechziger Jahre der Wiederaufbau abgeschlossen war und die Bundesrepublik bereits wieder einen beachtlichen Lebensstandard erreicht hatte, wurde zum ersten Mal ein innerer Konflikt sichtbar: die studentischen Protestbewegungen ab 1967/68 zeigten, daß Teile der jungen Generation mit der restaurati-ven Gesellschaft ihrer Väter nicht mehr einverstanden waren.

Die einseitige Bemühung um materiellen Wohlstand hatte innere Leere, Mangel an geistiger Orientierung mit sich gebracht. Allein gelassen mit ihren Problemen, ohne echten Dialog mit der älteren Generation, begannen

LV1 Wolfgang Heyder

Netzwerk

Wir protestieren nicht mehr, wir steigen aus.

Wir schlagen nichts klein, im Gegenteil, 5 wir sammeln die Scherben und kitten.

Wir geben Zeitungen heraus. Wir renovieren alte Häuser. Wir besetzen sie, wenn sie io zerstört werden sollen. Wir fahren nach Wyhl, weilssein muß.

Wir lernen von den Indianern, vom tao, von mao tse-tung, 15 wir häkeln und stricken, säen und ernten, wir musizieren selbst.

Wir basteln uns Möbel. Wir spielen mit Kindern. 20 Wir halten Katzen.

Wir bauen das Windrad. Wir bilden uns und ein Kollektiv und jeden in allem aus.


Gesellschaft im Umbruch

viele Jugendliche, nach eigenen, alternativen Erfahrungen zu suchen. Dabei spielten internationale Moden" - von den Hippies über Pop-Musik bis zum Drogenkult - eine wichtige Rolle.

Der Hang zum Aussteigen", d. h. der Versuch, sich den Normen und Werten einer modernen Industriegesellschaft zu entziehen, fand zunehmend Anhänger. Im Gegensatz zu der überwiegend negativen Grundhaltung früherer Bewegungen verstärkt sich in den letzten Jahren eine konstruktive Alternativbewegung, mit viel Initiativen und Gegenmodellen, besonders im ökologischen und sozialen Bereich.

Wir sind die Kraaker, die Spontis,

die Grünen und Bunten, 25

Wir sind, wer mit uns lebt.

Wir wollen nicht mehr.

Nicht den Streit mit den Vätern,

der uns nichts bringt.

Für Gegensätze, die keine sind,

keinen Gegen-satz mehr. Keine Kreuzchen.

Unsere geistigen Väter und Mütter

sind auferstanden,

zu ihnen wollen wir halten,

in Ascona, Worpswede, Berlin. 35

Keine Revolten mehr nur durch den Kopf. Wir lieben den Bauch und der Hände Entwurf.

Wir wollen leben. Mehr wollen wir nicht.

Aus: Glomb/Reese: Anders als die Blumenkinder",

1980 by Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek b. Hamburg


8

Erklärungen zum Text:

Netzwerk ist der Name einer alternativen Organisation in Berlin und anderen deutschen Städten, der Tausende junger Leute angehören, die neben der bestehenden Gesellschaft eigene, alternative Formen des menschlichen Zusammenlebens aufbauen und ausprobieren. Im Text werden einige Namen/Orte genannt, die für bestimmte Ereignisse oder Tendenzen stehen, mit denen sich Netzwerk solidarisch fühlt, z. B.

Wyhl: Standort eines Kernkraftwerks (KKW), gegen dessen Bau erbittert

Widerstand geleistet wurde

Kraaker: Hausbesetzer in Amsterdam (Holland)

Spontis: junge Leute, die sich spontan politisch engagieren, ohne einer orga-

nisierten Partei anzugehören

Grüne und Bunte: alternative Parteien, die meist zur Ökologie-Bewegung gehören

1. Lesen und analysieren Sie den Text. In welchen Aussagen des Textes erkennt man
die Kritik und Abkehr von den folgenden Aspekten der heute bestehenden Gesell
schaft?

Zeile:

1. Abriß und Sanierung von Wohnraum

2. Beeinflussung durch die Medien

3. Erziehungs-und Ausbildungspolitik

4. gewaltsame Demonstrationen auf der Straße

5. Energiepolitik

6. Kinderfeindlichkeit

7. Kauf- und Konsummentalität

8. Generationenkonflikt

9. Mechanismus der Wahlen

10. Theorie und ideologischer Streit

11. Fragen zur Diskussion. Suchen Sie sich Partner und notieren Sie Stichwörter:

"I.Wie sehen die alternativen Bewegungen den Menschen in Gesellschaft und Natur? Welche Ziele, Werte und Tätigkeiten sind für sie wichtig?

2. Welche Wertvorstellungen, Wünsche und Ziele gelten dagegen in der heutigen Konsum-und Industriegesellschaft?

3. Halten Sie es für möglich und wahrscheinlich, daß sich solche Modelle einer alternativen Gesellschaft in Zukunft durchsetzen und die bestehende Gesellschaft ablösen könnten?




 

9 stern/Markus


Wenn du deine Spiegeleier alternativ gebraten haben willst, hör endlich auf zu fragen, weshalb das Essen noch nicht auf dem Tisch ist!"


BT1 Wolfram Siebeck

Fünf Eigelb und ein halber Liter Sahne

Ich blicke in die Runde und kann mir die Frage nicht verkneifen: Was ist eigentlich los mit euch?" Es ist die Frage, die sich Millionen deutscher Familienväter nicht verkneifen kön-5 nen, wenn sie am Sonntagmittag in die Runde blicken. Denn vor ihnen sitzt die Generation der Verweigerer, die Jugend '81. In meiner Runde sitzen besonders hartnäckige Verweigerer. Sie verweigern mir sogar die Ant-

10 wort. Also frage ich noch einmal und formuliere es so, daß es auch eine Generation versteht, die ,,bildungsscheu" ist und sich durch abnehmende Mobilität" auszeichnet: Was ist -schmeckt euch der Braten nicht, oder wartet

15 ihr auf die Schokoladencreme?" Da macht der Älteste den Mund auf, was ihm sichtlich


schwerfällt, und gibt Auskunft: Weder -
noch. Wir verweigern nur weitere Nahrungs
aufnahme." Es ist nicht der erste Fall. Erst ge
stern verweigerte der Jüngste die Gartenarbeit; 20
vor drei Tagen verschlief er morgens und ver
paßte den Schulbus, was ja nichts anderes ist
als eine kombinierte Aufsteh- und Schuldienst-
Verweigerung, wie sie von Soziologen als ty
pisch für diese Jugend beschrieben wird. 25

Die Runde, in die ich blicke, ist auch sonst sehr typisch; oder trendtypisch, wie es heute genannt wird. Da ist zum Beispiel der Trend, morgens den Wecker zu überhören, das Zähneputzen zu vergessen, die Treppe hinunterzu- 30 poltern, die Haustür offenzulassen und was es




sonst an Trends so gibt, die typisch für diese durch eine anarchistisch-alternative Verweige-

Jugend'81 sind. rungshaltung bestimmt wird." Und indem ich

Ich gehe in die Küche und hole die Schokola- die Schokoladencreme zu mir heranziehe und

dencreme. Sie ist in einer großen Steingut- herzhaft zulange, schließe ich mein Seminar

schüssel. Fünf Eigelb und ein halber Liter Sah- mit den Worten: Ich hingegen bekenne mich

ne sind drin, und bei ihrem Anblick läuft mir freimütig zur angepaßten, genuß-orientierten

das Wasser im Mund zusammen. Generation der Alten, für die es immer am

wichtigsten war, daß sie von der Süßspeise den

Wenn es geschehen sollte", doziere ich und größten Teil selber essen konnten, ganz egal,

setze die Schüssel auf den Tisch, daß einer ob sie dazu ihre Macht mißbrauchen mußten

von euch schwankend wird in seinem Ent- oder ob ihnen die anderen dabei durch eine

Schluß, weitere Nahrungsaufnahme zu verwei- trendtypische Verweigerungshaltung entgegen-

gern, so gebe ich zu bedenken, daß das nicht im kamen." Ich stopfe mir den ersten Löffel voll

Einklang stünde mit der Erkenntnis der Sozio- Creme in den Mund: lecker!
logie, wonach die heutige Jugend - also ihr -

Mit freundlicher Genehmigung des Autors

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D D
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I. Lesen Sie den Text durch und schlagen Sie unbekannte Wörter nach.

II. Vergleichen Sie diese Sätze mit dem Text. Was ist richtig, was ist falsch?

 

1. Der Autor stellt die Frage, weil sie ihn sehr interessiert.

2. Millionen deutscher Familienväter stellen die gleiche Frage.

3. Die Jungen geben nicht einmal eine Antwort auf die Frage.

4. Schließlich antwortet der Älteste.

5. Der Jüngste arbeitet besonders gern im Garten.

6. Die Schokoladencreme ist in der Schüssel aus Kunststoff.

7. Der Verfasser nimmt nur aus Höflichkeit etwas von der Schokoladencreme.

III. Wie steht das im Text?

1. Ich kann die Frage nicht unterdrücken.

2. Was habt ihr eigentlich?

3.... was ihm-wie man sieht-Schwierigkeiten macht.

4. Wir wollen nicht mehr essen.

5. Vor drei Tagen stand er morgens nicht rechtzeitig auf.

6. Falls einer von euch in seinem Entschluß unsicher wird...

7.... daß das der Erkenntnis der Soziologie widersprechen würde...

IV. Drücken Sie die Sätze anders aus, indem Sie die angegebenen Wendungen und
Satzglieder benutzen:

1. Sie verweigern mir sogar die Antwort.

a) nicht einmal

b) ablehnen

2. Also frage ich noch einmal und formuliere es so...

a) wiederholen

b) sich ausdrücken

3. Erst gestern verweigerte der Jüngste die Gartenarbeit.

a) nicht wollen

b) sich weigern

LU I


4. Wenn es geschehen sollte, daß einer von euch schwankend wird in seinem Entschluß,
weitere Nahrungsaufnahme zu verweigern, so gebe ich zu bedenken, daß das nicht im
Einklang stünde mit der Erkenntnis der Soziologie.

a) Sollte einer von euch...

b) seinen Entschluß ändern

c) sich klarmachen

d) übereinstimmen

5. Ich bekenne mich freimütig zur angepaßten, genuß-orientierten Generation der Alten,
für die es immer am wichtigsten war, daß sie von der Süßspeise den größten Teil selber
essen konnten.

a) zugeben

b) die Hauptrolle spielen

c) bekommen

V. Nehmen Sie zu folgenden Thesen Stellung:

1. Was Siebeck sagt, ist zynisch und verständnislos.

2. Die Jungen reagieren so, weil ihnen ein Gespräch mit dem Vater von vornherein sinnlos erscheint.

3. Die Jugendlichen sagen nichts, weil sie nur einer Mode folgen und ihr Verhalten nicht mit guten Argumenten begründen können.

VI. Stellen Sie sich vor, der älteste Sohn unterhält sich mit einem Freund über das hier
beschriebene Mittagessen.

Wie könnte die Unterhaltung aussehen?

nvi Ich bin Monika. - Ich bin Detlev.


Vorbemerkung

In vielen Städten der Bundesrepublik gibt es Entziehungsanstalten für Drogensüchtige (Hasch, Heroin usw.) SYNANON" ist eine alternative Hilfsorganisation, wo süchtige Jugendliche behandelt und auf ihre Rückkehr in ein normales Leben (Arbeit, Beruf) vorbereitet werden.





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